Österreichs halbwilder Kurs bei der Digitalisierung
Es muss etwas geschehen, etwas Digitales, Hauptsache, jetzt und sofort.
„Ich hab zwar ka Ahnung, wo ich hinfahr’, aber dafür bin ich g’schwinder dort!“, sang Helmut Qualtinger. „Der Halbwilde“hieß das Lied, das man auch als Metapher für Österreichs Digitalstrategie nehmen kann. Doch damit soll jetzt Schluss sein, verkündete die Regierung, seit sie auf einer Asien-Reise erlebt hat, was Digitalisierung kann – und vermutlich auch, wie sehr Österreich mittlerweile ins Hintertreffen geraten ist. „Wir sind nämlich immer für’s Moderne, jeder muß sich heut’ digitalisier’n“, hat man Qualtinger noch im Ohr. Die Regierung schüttelt unterdessen eine Idee nach der anderen aus dem Ärmel.
Die Digitalisierung der Schulen war die erste. Tablets für alle Schüler, Fortbildung für Lehrer, Digitalisierung der Klassenzimmer, das kennt man noch aus Zeiten der SPÖ-ÖVP-Koalition. Damit etwas Neues daraus wird, fasst man die „zahlreichen Einzelinitiativen und Projekte“zu einem „Masterplan Digitalisierung“zusammen. Wie und in welcher Art digitale Inhalte und Instrumente in den Unterricht einfließen, ist laut Ministerium allerdings „noch nicht abschließend geklärt“. Daher ein rasender Themenwechsel.
Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) zeigte sich nämlich zuversichtlich, dass er den Ausbau des schnellen Internets vorantreiben kann. Ziel sei es, bis 2020 flächendeckend 100 Mbit/s zur Verfügung zu stellen. Ob dem Herrn Minister geläufig ist, dass die aktuelle Durchschnittsgeschwindigkeit laut „RTR Internet Monitor“bei 18 Mbit/s liegt und dass ein echter Breitbandausbau Ergebnis jahrelanger Planungsund Bauarbeiten ist? 1,1 Prozent der Haushalte haben in Österreich Glasfaser, in der EU sind es durchschnittlich 13,9 Prozent, in Japan und Südkorea 75 Prozent. Egal, das nächste Thema drängelt.
Österreich soll beim Mobilfunk der fünften Generation zu einem echten Vorreiter werden – und dies über die EU hinaus. Denn man wolle Smart Citys, autonomes Fahren, Industrie 4.0, Smart Environment, kurz: alles, was an schönen neuen Begrifflichkeiten seit Jahren über den Atlantik schwappt.
Bleibt die Frage, was zwischen den Schlagworten die Strategie ist. Ein Tablet im Klassenzimmer, auf dem man ein digitalisiertes Schulbuch liest, sicher nicht. Und Internet, das zwar auf dem Papier eine Rennmaschine, in der Praxis aber ein Moped ist, weil die Kapazitäten im Hintergrund fehlen, auch nicht.
Eine Digitalisierungsstrategie beginnt dort, wo wir unser eigenes digitales Ding entwickeln. Digitalisierung ist niemals das Ziel, sondern immer nur das Mittel, etwas Neues zu tun. Und dazu brauchen wir kreative, selbstständig und analytisch denkende Persönlichkeiten und keine Tablet-Wischer.