In der Schule rauchen ab jetzt (nur mehr) die Köpfe
Mit der Digitalisierung der Schule hat die Regierung ein JahrzehnteProjekt angestoßen. Das Schuljahr startet mit greifbareren Reformen.
WIEN. 639.000 Schüler starten am Montag in Westösterreich in ein neues Schuljahr. Im Osten Österreichs haben 475.000 schon seit letzter Woche den Schulalltag. Das Schuljahr beginnt wie in den letzten Jahr(zehnt)en mit neuen Regelungen und Reformen. Und gerade die die 88.000 Taferlklassler, die heuer ins Schülerleben starten, werden in ihrer Schulkarriere grundlegende Umwälzungen in Schule und Unterricht erleben – vor allem weil die Regierung zuletzt das Thema Digitalisierung insgesamt und gerade auch in der Schule entdeckt hat.
Auch die Lehrer werden (dazu)lernen müssen. „Das ist ein ordentliche Stück Arbeit, das auf die Republik da zukommt“, sagt Minister Heinz Faßmann im SN-Gespräch zum digitalen Masterplan. Er meint nicht nur den nötigen Breitbandausbau, sondern auch, dass es darum gehen werde, die Lehrenden weiterzuqualifizieren, „damit sie das Digitale vernünftig umsetzen“.
Abgesehen davon, dass der Minister zudem noch eine elendslange Liste von Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm abzuarbeiten hat, müssen sich Schüler, Lehrer und Eltern schon mit dem eben anlaufenden Schuljahr auf eine Reihe von Neuerungen einstellen.
Deutschklassen
Die bisher umstrittenste Schulreform der türkis-blauen Regierung betrifft rund 11.000 Schulanfänger und Schulquereinsteiger mit Sprachproblemen. Sie werden über ganz Österreich in rund 730 eigenen Klassenverbänden von den anderen Schülern getrennt intensiv Deutsch lernen – Volksschüler 15 Wochenstunden, Mittelschüler 20 Stunden. Der ursprünglich noch rigorosere Vorschlag der FPÖ, streng segregierte Ausländerklassen einzuführen, wurde abgemildert. Zumindest in Turnen, Zeichnen und Musik sollen die Schüler gemeinsam mit regulären Jahrgangsklassen unterrichtet werden. Nach jedem Semester sollen dann die Sprachfortschritte überprüft werden. Ein rascher Wechsel in die Regelklasse ist das Ziel. Die Reform wurde unter hohem Zeitdruck umgesetzt, die Nutzung der kurzfristig fertig gewordenen neuen Lehrpläne ist im neuen Schuljahr noch freiwillig. Der Test für die Deutschklassen lag überhaupt noch nicht rechtzeitig vor. Die Maßnahme bleibt umstritten. Auch Schulen, die mit integrierter Sprachförderung bisher gute Erfahrungen gemacht haben, müssen die Trennung auf Zeit umsetzen. Minister Faßmann hebt im Gespräch mit den SN hervor, dass die Deutschförderklassen erfolgreich installiert wurden. „Das wird die Sprachkompetenz in der Unterrichtssprache deutlich heben.“
Schwänzen
Das Schulschwänzen soll eingedämmt werden. Im neuen Schuljahr wird ein Verfahren bei der Bezirksverwaltungsbehörde eingeleitet, sobald ein Schüler im Laufe der neunjährigen Schulpflicht den vierten (vollen) Tag ungerechtfertigt der Schule fernbleibt – wobei diese Tage nicht unbedingt aufeinanderfolgen müssen. Darüber hinaus können bei geringfügigeren Schulpflichtverletzungen Schulleitung und Lehrer „Sofortmaßnahmen“setzen. „Wir wollen, dass Schule und Bildung ernst genommen werden“, erklärt Faßmann. „Die Schüler sollen erkennen, dass Bildung etwas ganz Wichtiges ist.“
Schulreife
Für die Schuleinschreibung gelten künftig einheitliche Kriterien zur Feststellung der Schulreife. Es geht um „Vorläuferfähigkeiten“wie Feinmotorik, zahlenbezogenes Vorwissen und Konzentrationsfähigkeit. Kinder, denen bei der Schuleinschreibung mangelnde Schulrei-
fe attestiert wird, müssen Vorschulklassen besuchen. Grund für die Vereinheitlichung: Die großen regionalen Unterschiede waren bisher nicht nachvollziehbar. Während in Salzburg mehr als 20 Prozent der Kinder in der Vorschule landeten, war es in der Steiermark nur ein Prozent. Die Neuerung wird diesen Winter an 100 Schulen österreichweit getestet und kommt im Jahr darauf flächendeckend zum Einsatz.
Bildungsdirektor
Mit Jänner 2019 treten die neuen Bildungsdirektionen offiziell an die Stelle der Landesschulräte und Schulabteilungen der Landesregierungen. Faßmann: „Die Bildungsdirektionen werden eine ganz neue Qualität in der Administration entfalten, weil eine Bund-Land-Behörde die Verantwortung für das gesamte Bildungssystem im Bundesland wahrnehmen wird und nicht mehr alles so ,gesplittet‘ ist.“Die neuen Hybridbehörden sollen neben der Personalverwaltung auch die – bisher nach Schulformen getrennte – Schulaufsicht wahrnehmen.
Autonomie
Auch das im Sommer 2017 beschlossene Autonomiepaket hat Faßmann von seiner Vorgängerin geerbt. Schulen können sich zu Schulverbünden („Clustern“) zusammenschließen und so Ressourcen besser nutzen. Tatsächlich umgesetzt wurden Cluster bisher nur in zwei Bundesländern. Im Burgenland gibt es vier Cluster, im steirischen Bad Aussee einen. Mit der Autonomie können Direktoren neue Lehrer selbst auswählen. Gesetzliche Klassenschülermindestund -höchstzahlen fallen weg.
Rauchverbot
Bereits seit Juli gilt die Neuregelung des Rauchverbots, das auf die ganze Schulliegenschaft ausgedehnt wurde. Auch auf Freiflächen darf es keine Ausnahmen mehr geben – weder für Schüler noch für Lehrer.
Herbstferien
Aus der für diesen Herbst angekündigten Einführung von Herbstferien ist nichts geworden – vorerst. Im Regierungsprogramm sind Herbstferien explizit vorgesehen. Das Thema wurde von den Betroffenen aber höchst emotional diskutiert. Nun befragt das Ministerium alle beteiligten Gruppen.
Notenpflicht
Das heikle Kapitel Notenpflicht an den Volksschulen braucht ebenfalls noch Zeit. Eine Neuregelung ist derzeit in Ausarbeitung und soll für das Schuljahr 2019/20 in Kraft treten.
Handyverbot?
Ein Handyverbot ist zu Schulbeginn für Volks-und Mittelschulen in Kraft getreten – allerdings nur in Frankreich. Im österreichischen Bildungsministerium hält man ein derartiges Verbot dezidiert für nicht sinnvoll. Ziel sei vielmehr, dass die Schüler in der Schule lernen, digitale Geräte zum Lernen und Arbeiten zu nutzen, heißt es. In der AHS-Unterstufe und den NMS startet mit Herbst die bisher nur im Pilotversuch getestete verbindliche Übung „digitale Grundbildung“.