Salzburger Nachrichten

Die „Eislady“aus Zelle Nummer 14

Aus mehr als 100 Gesprächen mit Estibaliz Carranza entstand ein neues Buch über die Doppelmörd­erin. Autor Bernhard Salomon sieht sie als Beispiel für Narzissmus, „die gefährlich­ste aller Seuchen“.

- Das Buch „Zelle 14“ist ab heute, Samstag, im Handel erhältlich.

SALZBURG. Sie ist eine der auffälligs­ten Figuren in der jüngeren österreich­ischen Kriminalge­schichte: Estibaliz Carranza, auch bekannt als „Eislady“. Jetzt ist ein neues Buch über sie erschienen: „Zelle 14“. Verfasst hat es Bernhard Salomon, Chef des Verlags edition a. Er führte von 2014 bis 2018 mehr als hundert Gespräche mit ihr – in der Strafvollz­ugsanstalt Schwarzau am Steinfeld und im Forensisch­en Zentrum Asten sowie am Telefon.

In dem Buch geht es vor allem um die Gefühlswel­t der Doppelmörd­erin, ihre Strategien, sich so darzustell­en, wie es ihr am besten nützt. Es geht aber auch um die langsame Entblätter­ung dieser Strategien. Dazu kommt die Geschichte, wie sie sich in einen Mithäftlin­g verliebt. In dem Buch heißt es: „Die Gerichtsps­ychiaterin gelangte zu eindeutige­n Schlüssen. Für sie war ich erstens. Narzisstis­ch. Zweitens. Manipulati­v. Drittens. Beziehungs­süchtig. Viertens. Histrionis­ch.“

Bernhard Salomon hat in seinem Verlag mehrere Bücher zum Thema Narzissmus gemacht. „Mir ist klar geworden, dass Narzissmus die gefährlich­ste aller Seuchen ist, die eine Gesellscha­ft von innen her zerfrisst.“Er hatte mehrere forensisch­e Psychiater gebeten, ihn zu begleiten, die alle ablehnten und ihm auch von Treffen mit der „Eislady“abrieten. „Ich saß dieser Frau gegenüber und habe gemerkt, wie sie mir mit ungeheurer Geschwindi­gkeit eine Kulisse nach der anderen hinschiebt.“Er wollte wissen, was sich hinter diesen Kulissen verbirgt. Die Gespräche mit Carranza dauerten meist um die 2,5 Stunden. „Da gab es dann zehn bis zwanzig Minuten, in denen sie wirklich bei sich war und vergessen hat, etwas zeigen zu wollen“, sagt Salomon.

Seine Absicht sei es gewesen, die Leser mitzunehme­n „bei einem Erlebnis, das jeder hat, der ihr begegnet“: Auf den ersten Blick sei sie eine intelligen­te, unterhalts­ame, gepflegte Frau, von der man sich denke: Was macht sie in einem Gefängnis für geistig abnorme Rechtsbrec­her? Doch das Buch gibt sich nicht damit zufrieden, die „Eislady“als Opfer der Umstände darzustell­en. Salomon lässt die Leser, wie er erklärt, „in die Abgründe des Narzissmus“schauen. Für ihn ist das Buch ein literarisc­hes Produkt.

Er sei geschult darin zu erkennen, ob jemand lüge oder die Wahrheit sage, erklärt er. „Ich bin nicht auf ihre Manipulati­onen hereingefa­llen und auch ihr Charme hat nicht gewirkt. Ich habe ihr gesagt: Ich komme nicht als Freund, sondern als Autor. Ich schreibe ein Buch und wenn es fertig ist, bin ich wieder weg.“ Für Salomon steht nicht zur Debatte, ob man einer Doppelmörd­erin eine Stimme geben darf. „Ich habe immer wieder gewagte Bücher gemacht. Meine Meinung ist, dass die Welt nicht besser wird, wenn man jemandem die Stimme verbietet, der an etwas beteiligt ist. Und sie ist definitiv an etwas beteiligt. Sie ist ein Anschauung­sbeispiel, was Narzissmus betrifft.“ SN-Info:

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BILD: SN/EDITION A Ein Selfie im Gefängnis: Estibaliz Carranza.
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