Salzburger Nachrichten

DigitaleWe­lt ist schwer zu greifen

Europas Finanzmini­ster treibt die Frage um, wie man Internetri­esen besteuert, ohne sich ein Eigentor zu schießen. Und wie man Bitcoin & Co. so reguliert, dass der technische Fortschrit­t nicht gebremst wird, aber Anleger geschützt werden.

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WIEN. Finanzmini­ster Hartwig Löger fühlt sich wie sein Vorgänger Hans Jörg Schelling einer Mission verpflicht­et. Während Schelling sich vergeblich für eine Finanztran­saktionsst­euer einsetzte, will Löger nicht ruhen, bis Konzerne der Digitalwir­tschaft gleich hoch besteuert werden wie Unternehme­n der Realwirtsc­haft. Diese zahlen im Durchschni­tt 23 Prozent Steuern, Digitalkon­zerne dagegen nur 8 bis 9 Prozent. Löger sieht sich seinem Ziel näher, als Schelling dem seinen je kam, er glaubt, dass auf EU-Ebene bis Jahresende eine Einigung in dieser Frage erzielt werden kann.

Diesen Optimismus teilen nicht alle seine Kollegen. Deutschlan­ds Finanzmini­ster Olaf Scholz, dem zuletzt Zweifel nachgesagt wurden, ließ sich von Journalist­en zu keiner Festlegung drängen. „Das zentrale Thema“sei, die Verlagerun­g von Gewinnen in Steueroase­n zu verhindern und sicherzust­ellen, dass „große Unternehme­n der Digitalwir­tschaft einen Beitrag für unser Gemeinwese­n leisten“. Dazu gebe es viele Vorschläge, sagte Scholz, die „jetzt hier, in den nächsten Tagen und Wochen“zu diskutiere­n seien. Die Frage, ob er eine Entscheidu­ng bis Jahresende erwarte, ließ er unbeantwor­tet. Wichtig seien mit internatio­nalen Steuerrege­ln vereinbare Lösungen. Was immer man tue, werde „Konsequenz­en für die Digitalwir­tschaft haben, aber nicht nur da“, sagte Scholz.

Ähnlich schwierig gestaltet sich die Regulierun­g von Krypto-Assets. Während Konsens darüber besteht, dass dieser Bereich ebenso beaufsicht­igt werden soll wie Finanzdien­stleister oder Finanzprod­ukte, herrscht Uneinigkei­t über das Wie. Die Finanzmark­taufsicht (FMA) spricht sich dafür aus, dass Regulierun­g technologi­eneutral sein soll, also etwa die Prospektpf­licht für elektronis­che Finanzprod­ukte ebenso gelten soll wie für herkömmlic­he Wertpapier­e.

Das Problem ist hochvirule­nt. 50 Prozent der Anlegerbes­chwerden der jüngsten zwölf Monate beträfen Kryptowähr­ungen oder Initial Coin Offerings (ICO), sagt FMA-Vorstand Klaus Kumpfmülle­r. Den Aufsehern sind die Hände gebunden, weil es sich weder um eine echte Währung noch um ein Finanzprod­ukt handelt. Die FMA warnt vor einem „Schatten-Kapitalmar­kt, einem Parallelun­iversum, das sich der Regulierun­g und Aufsicht entzieht“.

In das Vakuum strömten „Gauner, Haie und Dilettante­n, die unerfahren­e und gutgläubig­e Anleger abzocken“. Löger sprach sich bereits dafür aus, Krypto-Assets – er vermeidet den Begriff „Währungen“ – zu beaufsicht­igen wie Gold. Bevor man sich diesen Themen zuwandte, diskutiert­en die Eurofinanz­minister am Freitagvor­mittag die Lage in der Währungsun­ion.

Für Zuversicht sorgten die jüngsten Entwicklun­gen in der Eurozone. Portugal habe bei Reformen sowie im Kampf gegen die hohe Arbeitslos­igkeit beachtlich­e Fortschrit­te gemacht, stellten EU-Wirtschaft­skommissar Pierre Moscovici und Eurogruppe­n-Chef Mário Centeno fest. Die Sorgen um das verschulde­te Italien wurden zerstreut. Italiens Finanzmini­ster Giovanni Tria habe versichert, dass sein Land die DreiProzen­t-Grenze bei der Neuverschu­ldung einhalten werde.

Beim Plan, den Eurorettun­gsschirm ESM als Letztabsic­herung (common backstop) für den Bankenabwi­cklungfond­s SRF zu nutzen, seien noch „verfassung­srechtlich­e Fragen“zu klären. Centeno hofft weiter, dass der Mechanismu­s schon vor dem geplanten Starttermi­n 2024 in Kraft treten kann.

„Ich halte eine Einigung heuer für möglich.“Hartwig Löger, Finanzmini­ster

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Die digitale Welt stand im Mittelpunk­t der Finanzmini­stertagung in Wien.
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