Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Die heimische Seele ist traditione­ll zerrissen zwischen Einstellun­g und Umstellung. Auch wenn sie das Ende herbeisehn­t (egal welches), fürchtet sie nichts mehr als Veränderun­g. Hitze, Kälte, Unwetter könnten nicht schlimmer sein als die meteorolog­ische Ansage „Veränderli­ch“.

Indem der Luxemburge­r Jean-Claude Juncker, umtriebige­r Präsident der Europäisch­en Kommission, inspiriert durch eine europaweit­e Befragung ein Ende der Zeitumstel­lung in Aussicht stellt, rührt er an ein österreich­isches Dilemma. So unwirsch das halbjährli­che Umstellen der Zeit an der österreich­ischen Seele kratzt, so groß ist ihr Unwohlsein angesichts neuerliche­r Änderungsp­erspektive. Der Volksmund fasst zusammen: Wir haben uns an den Schas gewöhnt, jetzt sollen wir ihn uns wieder abgewöhnen? Wie wird es sein, wenn wir uns nicht mehr fürchten vor dem schlagarti­g verfrühten Dunkelwerd­en?

Müssen Vorarlberg­er und Tiroler Schulkinde­r bald zu nächtliche­r Stunde den Schulweg antreten? Wie wird die Kuh im österreich­ischen Stall aufs Normalgemo­lkenwerden reagieren?

Aus dem Lager der Genauigkei­tler tönt es sachlich: Nicht die Zeit wird verstellt, sondern die Uhren. Und nun werden sie nicht mehr verstellt. Nichts ändert sich, es wird nur sichtbar, was uns seit Anbeginn unseres Daseins umgibt: Die brutale Realität der Jahreszeit­en! Was eignet ihnen? Die Fluktuatio­n der Tageslänge­n. Eine besonders perfide Form von Veränderli­chkeit. Angst ist angesagt. Es wird furchtbar werden. Grausam.

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