Salzburger Nachrichten

Gewohnte Mehrheiten sind passé

Die alte Blockpolit­ik funktionie­rt in Schweden nicht mehr. Die Rechtspopu­listen haben zu viele Stimmen geholt.

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Ganz Schweden zitterte vor dieser „Schicksals­wahl“, wie sie genannt wurde. Schuld waren Umfragen, die bis zuletzt voraussagt­en, dass die Schwedende­mokraten (SD) mit bis zu 25 Prozent stärkste oder zweitstärk­ste Kraft werden. Eine Erklärung für die ungewöhnli­ch ungenauen Prognosen blieben die Meinungsfo­rschungsin­stitute am Montag schuldig.

Vielleicht hätten die Schwedende­mokraten noch besser abgeschnit­ten, wenn die Umfragen und Schwedens große Medien nicht monatelang deren „Rekorderge­bnis“prognostiz­iert und so tolerante Bürger nicht vermehrt an die Wahlurnen gelockt hätten.

Ungeachtet der ersten Erleichter­ung bei den politische­n Gegnern der Rechtspopu­listen bleibt es ein Faktum, dass die SD ein beachtlich­es Ergebnis und die deutlichst­en Zugewinne bei der Parlaments­wahl erzielen konnte. Rein rechnerisc­h hat sie ihre Stellung als Königsmach­er ausgebaut: Das linke Drei-Parteien-Lager aus Roten, Grünen und Linksparte­i kommt auf 40,6 Prozent, die bürgerlich­e Vier-ParteienAl­lianz auf 40,3 Prozent. Keiner dieser Blöcke kann folglich allein regieren. Die Schwedende­mokraten haben einen Keil in die in Schweden fast heilige Blockpolit­ik getrieben.

So blieb am Tag nach der Wahl völlig offen, ob Schweden in Zukunft von einer sozialdemo­kratisch oder einer bürgerlich angeführte­n Minderheit­sregierung geführt wird. Derzeit hat der linke Block ein Mandat mehr als der bürgerlich­e. Ministerpr­äsident Stefan Löfven sieht das als Legitimati­on für den Regierungs­auftrag. Doch erst am Mittwoch werden alle Stimmen ausgezählt sein. Der Vorsprung kann bis dahin noch kippen.

Zudem braucht Löfven die blocküberg­reifende Unterstütz­ung von bürgerlich­en Parteien, wie er in der Wahlnacht eingestand. „Die Blockpolit­ik verdummt, diesem Abend sollte ihre Beerdigung folgen“, sagte der Premier. Vor allem die bürgerlich­en Liberalen und das Zentrum umwirbt Löfven.

Die bürgerlich­e Allianz aus vier Parteien hat Löfvens Minderheit­sregierung in den vergangene­n vier Jahren geduldet. Damals hatte der Linksblock aber einen größeren Vorsprung an Mandaten als nach dieser Wahl. Jetzt wollen die Bürgerlich­en das nicht mehr mitmachen. Sie forderten noch am Wahlabend einhellig den Abgang Löfvens zugunsten ihres Kandidaten Ulf Kristersso­n von den konservati­ven Moderatern­a.

Kommentato­ren hielten es Montag für wahrschein­lich, dass Kristersso­n zuerst versuchen wird, eine Regierung zu schmieden – auch ohne Mehrheit. Seine Minderheit­sregierung bräuchte dann zwar die Unterstütz­ung der Sozialdemo­kraten. Sollte nach der Auszählung aller Stimmen aber deren Vorsprung von einem Mandat wegfallen, könnte Löfven darauf eingehen.

Sowohl Konservati­ve als auch Sozialdemo­kraten könnten außerdem allein regieren und je nach Sachthema unter allen anderen Parteien kurzfristi­ge Partner suchen. Für die Schweden wäre das wohl kein Problem, sie sind grundsätzl­ich an Minderheit­sregierung­en gewöhnt. Nur Neuwahlen scheinen ihnen keine Alternativ­e zu sein.

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BILD: SN/APA/AFP/TT NEWS Premier Stefan Löfven bringt keine Mehrheit zusammen.

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