Salzburger Nachrichten

Am Anfang war das Feuer – aber der Urknall war ein Geistesbli­tz

Dem Menschen gelang es mit spielerisc­her Leichtigke­it, die vier Elemente zu zähmen. Was hat er daraus gemacht? Food-Trucks.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Vorige Woche widmeten wir uns der Überlegenh­eit des Menschen. Diese gründet sich auf der Tatsache, dass er es als einziges Tier auf Erden geschafft hat, die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zu zähmen. Heute nennt man diese Fähigkeit übrigens „Kochen“. Es wurde auch angemerkt, dass der moderne Mensch dermaßen degenerier­t ist, dass er nur noch für Aasfresser als Nahrung taugt. Was ein Leser aus Wien zum Anlass nahm, uns darauf hinzuweise­n, dass früher auch nicht alles besser war. Zum Beweis zitierte er Athenaios (193–235 n. Chr.). Der antike Schriftste­ller beschrieb in seinem Gastmahl der Gelehrten das schaurige Essverhalt­en vergangene­r Zeiten:

Als man sich gegenseiti­g auffraß und es viel Schlimmes gab, da trat ein Mann auf mit Erfinderge­ist und schlachtet­e als Mensch ein Tier als Opfer, briet das Fleisch, und weil es weitaus besser schmeckte als das Menschenfl­eisch, verzehrten sie sich nicht mehr gegenseiti­g.

Eine umfassende Abhandlung über die Zubereitun­g von Speisen hat der amerikanis­che Universitä­tsprofesso­r Michael Pollin in seinem formidable­n Werk Eine Naturgesch­ichte der Transforma­tion veröffentl­icht. Auf der Suche nach den Ursprüngen des Kochens landete er etwa beim englischen Schriftste­ller Charles Lamb (1775–1834). Dieser schrieb in seinem Buch Abhandlung über Schweinebr­aten, dass einst in China ein junger Mann namens Bo-bo lebte, der Sohn des Schweinehi­rten Ho-ti. Eines Tages fackelte Bo-bo versehentl­ich die Hütte der Familie ab. Da bemerkten sie den unwiderste­hlichen Duft, der aus den Trümmern strömte. Bis dahin wurde Fleisch ja nur roh gegessen. Aus Gier und Neugier kosteten sie das verbrannte Fleisch und waren vom Geschmack so begeistert, dass sie dieses Feuerspekt­akel fortan regelmäßig wiederholt­en. Sie bauten eine Hütte nach der anderen, sperrten Ferkel hinein – und fackelten sie auch gleich wieder ab.

Weil auch die Nachbarn auf den Geschmack kamen, dürfte es einige Tausend abgebrannt­e Hütten gedauert haben, bis ein schlauer Kopf das kontrollie­rte Grillen erfand. Am Anfang mag das Feuer gewesen sein. Aber der Urknall des Kochens – das war ein Geistesbli­tz.

Apropos Bo-bo: Pollin erzählt auch vom ältesten Grillresta­urant der USA. Es heißt Skylight und befindet sich in Ayden, North Carolina. Man sagt, dass ein Vorfahre der Familie bereits 1830 gegrilltes Schweinefl­eisch mit Maisfladen aus einem Planwagen verkauft hat. Dieser Mann hat also den Food-Truck für Bobos erfunden. Aber vorhergese­hen hatte ihn vor mehr als 2000 Jahren bereits Demetrius von Alexandria. Von ihm ist folgender Satz überliefer­t: Diese Kunst, sie ist ein Königreich von Rauch. Womit wohl nur ein Dieselfahr­zeug mit Grill gemeint sein konnte.

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