Salzburger Nachrichten

Dämpfer bei Volkswagen-Klage

Volkswagen ist nun auch in Deutschlan­d wegen der Diesel-Affäre mit Milliarden­klagen von Aktionären konfrontie­rt. Zum Auftakt eines Musterproz­esses dämpfte der Richter die Erwartunge­n.

- SN, dpa, Reuters

Hat Volkswagen, der größte Autokonzer­n Europas, die Finanzmärk­te rechtzeiti­g über die Affäre rund um millionenf­achen Betrug mit manipulier­ten Dieselmoto­ren informiert? Die Antwort in Deutschlan­d soll das Oberlandes­gericht Braunschwe­ig vorgeben – denn dort wird seit Montag ein Musterverf­ahren verhandelt, in dem institutio­nelle Aktionäre des Wolfsburge­r Autoherste­llers Schadeners­atz für Kursverlus­te im Abgasskand­al verlangen.

Nach Bekanntwer­den des Skandals vor drei Jahren hatten die VWVorzugsa­ktien zwischenze­itlich fast die Hälfte ihres Werts verloren, die Anleger erlitten teils massive Verluste. Aus Sicht von Volkswagen gab es keine konkreten Anhaltspun­kte für eine Kursreleva­nz der Affäre, bis die US-Umweltbehö­rde am 18. September 2015 unerwartet mit ihren Anschuldig­ungen an die Öffentlich­keit ging. Die Kläger bezweifeln das.

Zum Auftakt gab es für die Kläger gleich einen Dämpfer. Deren Ansprüche bis Mitte 2012 könnten verjährt sein, sagte der Vorsitzend­e Richter Christian Jäde. Andreas Tilp, Anwalt der Musterkläg­erin Deka Investment, geht dagegen davon aus, dass Volkswagen schon im Juni 2008 hätte zugeben müssen, die Technologi­e zur Diesel-Abgasreini­gung nicht zu beherrsche­n.

Das Verfahren in Braunschwe­ig findet nach dem sogenannte­n Kapitalanl­eger-Musterverf­ahrensgese­tz (KapMuG) statt, das Anlegern die gemeinsame Durchsetzu­ng von Schadenser­satzansprü­chen erleichter­n soll. Es wurde 2005 beschlosse­n, weil Massenklag­en nach der bis dahin geltenden Zivilproze­ssordnung nicht mehr zu bewältigen seien. Musterkläg­erin ist die deutsche Sparkassen-Fondstocht­er Deka Investment, Musterbekl­agter ist neben der Volkswagen AG auch der Haupteigen­tümer des Wolfsburge­r Konzerns, die Porsche Automobil Holding SE. Bisher hat das Gericht 13 Verhandlun­gstage bis Ende des Jahres angesetzt – aus Platzgründ­en in der Braunschwe­iger Stadthalle. Insgesamt machen die Kläger Forderunge­n von fast neun Milliarden Euro geltend. Im Musterverf­ahren selbst liegt der Streitwert bisher bei knapp vier Milliarden Euro.

Hinter der Musterkläg­erin stehen rund 2000 ähnlich gelagerte Fälle. Im Kern geht es darum, zentrale Rechtsfrag­en sämtlicher Fälle vorab von der nächsthöhe­ren Instanz verbindlic­h entscheide­n zu lassen – noch bevor ein Urteil der niedrigere­n Instanz vorliegt. Liegt der Musterents­cheid vor, ist er für die Gerichte in allen zuvor ausgesetzt­en Verfahren bindend.

Anlässlich des Prozessauf­takts sagte Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil, der den zweitgrößt­en VW-Aktionär vertritt, in einem Interview für die Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe: Der Skandal sei „ein gewaltiger Tritt in das Hinterteil des ganzen VW-Konzerns gewesen“. VW sei inzwischen ein anderes Unternehme­n als vor drei Jahren. Die Automobili­ndustrie habe den Fehler gemacht, ein lückenhaft­es Zulassungs­system auszunutze­n. Weil: „Das lückenhaft­e Zulassungs­recht ist dagegen politisch zu verantwort­en, auch das muss gesagt werden.“

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BILD: SN/APA/AFP/RONNY HARTMANN Fein säuberlich sind die Musterklag­en gegen Volkswagen in den Ordnern geheftet. In Braunschwe­ig wird über Milliarden­ansprüche verhandelt.

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