Zeichen stehen auf Sturm
Gewerkschafter geben sich kampflustig. Bei KV-Verhandlungen fordern sie den Preis für die einseitig beschlossenen flexibleren Arbeitszeiten.
WIEN. Ob der Herbst heiß wird, ist noch offen. Aber am gestrigen Dienstag hatte es in Wien 28 Grad. Zeitweise noch höher war die gefühlte Temperatur in der METAHall im 22. Wiener Gemeindebezirk. Gut 900 Betriebsräte aus ganz Österreich waren der Einladung des Gewerkschaftsbunds ÖGB zur „Ersten österreichweiten KV-VerhandlerInnen-Konferenz“gefolgt. Es ging darum, sich vor den anstehenden Verhandlungen für neue Kollektivverträge (KV) zu positionieren. Und vor allem darum, Einigkeit in der Ablehnung des von der Regierung beschlossenen Arbeitszeitgesetzes zu demonstrieren.
Dass die Zeichen auf Sturm stehen, wurde bereits am Eingang zum Veranstaltungszentrum deutlich. „Streiken würd ich liken“stand da auf einem Plakat zu lesen oder „12Stunden-Tag wegstreiken!“. Kämpferische Gewerkschaftsmitglieder versuchten Stimmung zu machen für eine „offensive Antwort“auf die Politik der Bundesregierung – konkret auf die Einführung des neuen Arbeitszeitgesetzes.
Kämpferische Töne gab es durchaus auch später noch im Saal. Da war in einzelnen Wortmeldungen von „Klassenkampf“die Rede oder vom Widerstand gegen eine neoliberale Politik. „Wir werden uns zurückholen, was man uns genommen hat“, hieß es immer wieder.
Der Präsident des Gewerkschaftsbunds ÖGB, Wolfgang Katzi- an, war mitunter etwas moderater in seiner Wortwahl. Aber auch er ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, mit allen Mitteln gegen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen vorzugehen. Der ÖGB-Chef spannte einen historischen Bogen: Vor 60 Jahren, am 18. September 1958, hätten Bergleute im steirischen Köflach eine Stunde lang die Arbeit niedergelegt, um ihrer Forderung nach Einführung der 45-Stunden-Woche Nachdruck zu verleihen. Mit Erfolg: Im Jänner 1959 wurde die Verkürzung der Arbeitszeit von 48 auf 45 Stunden im KV verankert, ein wichtiger Etappensieg auf dem Weg zur 40-Stunden-Woche.
Diesen Geist beschwor Katzian erneut. „Gar nichts ist vom Himmel gefallen, für alles mussten wir kämpfen“, sagte der Gewerkschafter. Und er stellte klar, dass der ÖGB für Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Arbeitsgesetz bereits einen „vorsorglichen Beschluss für Streiks“gefasst habe. Das heißt: Im Fall des Falles kann es schnell gehen, eine Teilgewerkschaft kann gleichsam jederzeit einen Streik als letztes gewerkschaftliches Mittel durchführen.
Immer wieder wurden die gewerkschaftlichen Werte Solidarität und Geschlossenheit beschworen. „Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren“war einer der meistgehörten Sätze. Ein klares Bild der Geschlossenheit vermittelten Vertreter der starken Bahn- und der Metaller-Gewerkschaft (ProGe), als sie laut über ein gemeinsames Vorgehen nachdachten. „Wir sind der Schneepflug“, dem dann andere Berufsgruppen nachfolgen könnten, sagte ProGe-Chef Rainer Wimmer.
Auch die Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), Renate Anderl, beschwor einen Schulterschluss, als sie verkündete, zwischen sie und ÖGB-Chef Katzian „passt kein Blatt, nicht einmal ein Windhauch“. AK und ÖGB vertreten in der österreichischen Sozialpartnerschaft die Interessen der Arbeitnehmer, ihnen stehen Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer gegenüber.
Der einseitige Beschluss des Arbeitszeitgesetzes – das eine Ausweitung auf zwölf Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich erleichtert – sei ein „Diktat“, stellte Katzian fest. Mit der „Nacht-und-Nebel-Aktion“ohne parlamentarische Begutachtung habe die Regierung den Weg des Interessenausgleichs zwischen Arbeitgebern und -nehmern verlassen. In den nächsten Wochen und Monaten will man den Preis dafür einfordern, in Form einer sechsten Urlaubswoche, selbstbestimmter Freizeitblöcke oder Mitsprache auf Augenhöhe. Den Anfang machen die Metaller am Donnerstag.
„Vorsorglich Beschluss zum Streik gefasst.“ Wolfgang Katzian, ÖGB-Präsident