Wer ist der Leitbulle?
Bei den Duellen der Red-Bull-Clubs in der Europa League geht es auch um die Nummer-eins-Rolle innerhalb des Konzerns.
Seit der Präsentation von RB Leipzig im Juli 2009 haben die beiden so ähnlichen und doch so verschiedenen Schwesterclubs neun wechselvolle Jahre erlebt. Morgen, Donnerstag (21 Uhr, live auf Puls 4), steigt in der Europa League das erste Bewerbsspiel zwischen RB Leipzig und Red Bull Salzburg. Erstmals wird auf dem Rasen geklärt, wer eigentlich die Nummer eins im Fußballkonzern ist.
So amateurhaft und dilettantisch wirkte der Beginn des Projekts RB Leipzig, dass Beobachter zweifelten: Sollte daraus wirklich etwas Großes entstehen? Im „Stadion am Bad“im Leipziger Vorort Markranstädt hielten die Fußballer in jenem Juli 2009 ein Red-Bull-Trikot in die Kamera und verdeckten dabei verschämt das Clubwappen. Es war jenes von Red Bull Salzburg. Noch war nicht geklärt, wie sehr das Logo des neuen Clubs dem Marken-Emblem des Energydrink-Herstellers ähneln darf. Zudem war der SSV Markranstädt eine Notlösung, weil der ursprünglich zur Übernahme erwählte Club unerwartet abgestiegen war. Das erste Training fand auf einem Nebenplatz statt – Gegner des neuen „Kommerzclubs“hatten das Hauptspielfeld mit Unkrautvertilger beschädigt.
Nicht nur Begeisterung herrschte auch bei den Red-Bull-Anhängern in Salzburg. In Deutschland war das Ziel, eine europäische Topadresse zu werden, eher zu verwirklichen als in Österreich. Dass der Standort Salzburg zum Zulieferbetrieb degradiert würde, bestätigte sogar der Chef persönlich: „Salzburg wird eine Art Unter-21-Mannschaft sein, die in Österreich um den Titel mitspielen kann“, erklärte Red-Bull-Inhaber Dietrich Mateschitz 2010 in Bad Gastein. Große Stars in der österreichischen Liga? Diese Vorstellung solle man sich abschminken. Fünf Jahre nach dem mit Pomp zelebrierten Start samt großen Zielen war das ein harter Schlag.
Doch zunächst schien es nicht so, als ob der neue Konkurrent im eigenen Haus bald an der Spitze ankommen würde. Während die Salzburger zumindest immer nah an die Champions League herankamen, mühte sich Leipzig in der 4. Liga mit Konkurrenten wie Meuselwitz und Oberneuland. Einer der wenigen Berührungspunkte jener Zeit war der erste interne Transfer. Torjäger Roman Wallner versuchte sich im Frühjahr 2012 mit mäßigem Erfolg in Leipzig.
Ein Paukenschlag änderte dann aber alles. Als Trainer Ricardo Moniz im Sommer 2012 überraschend hinschmiss, schlug die Stunde des Ralf Rangnick. Der „Fußballprofessor“ließ als Doppel-Sportdirektor weder in Leipzig noch in Salzburg einen Stein auf dem anderen. „Mich hat vor allem die Chance gereizt, in Leipzig etwas aufzubauen“, bekannte er später. Beim rasanten Durchmarsch aus der 4. Liga bis in die Champions League nutzte Rangnick die Synergien mit Salzburg gnadenlos. Von Stefan Hierländer bis Naby Keita wechselten derart viele Akteure von Red Bull zu RB, dass Leipzig noch mehr zum Feindbild der Salzburg-Anhänger wurde.
Zwar trug der Energieschub vom Partnerclub die deutsche Filiale schnurstracks in die Champions League, doch der vermeintliche Zulieferer muss sich keineswegs mit einer Nebenrolle begnügen. Dabei hilft ausgerechnet die von der UEFA auferlegte strikte Trennung der beiden Clubs. Red Bull darf – zumindest auf dem Papier – nur noch Sponsor in Salzburg sein. Die lebensnotwendigen Transferüberschüsse erwirtschaftet RangnickSchüler Christoph Freund dank klugem Scouting. Im fast direkten Duell in der Europa League 2017/18 war Salzburg besser und stach anschließend die Leipziger auch noch im Transferpoker um RangnickWunschspieler Amadou Haidara aus. Vor dem Anpfiff am morgigen Abend ist das Rennen um die Rolle des Leitbullen somit offener als je zuvor. Von geschwisterlicher Liebe ist keine Spur – es liegt viel Sprengstoff im Bullen-Stallduell.