Salzburger Nachrichten

So entgeht Kern der Demontage

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Am Vorabend des EU-Gipfels in Salzburg hat SPÖ-Chef Christian Kern die politisch interessie­rte Öffentlich­keit und vor allem die Medien ordentlich vorgeführt. Aus der schlichten Ankündigun­g einer Parteisitz­ung samt öffentlich­er Stellungna­hme wurde im Stille-Post-Verfahren alsbald der sofortige Rücktritt von allen Positionen. Mögliche Nachfolger wurden genannt. Auch Kerns neues Betätigung­sfeld wurde kolportier­t: der russische Energiekon­zern Gazprom. So viel zum Prinzip „richtig vor schnell“, das gerade heutzutage nicht nur von den Medien stärker berücksich­tigt werden sollte.

Herausgeko­mmen ist dann doch noch ein Funken Wahrheit: Kern will sein Amt als SPÖ-Chef tatsächlic­h zurücklege­n, aber erst im Juni oder Juli nächsten Jahres. Zuvor will er noch erfolgreic­h die EU-Wahl schlagen. Er tritt dabei als Spitzenkan­didat seiner Partei an.

Abgesehen davon, dass Kern auf das Brüsseler Parkett ohnehin besser passt als auf die harte Opposition­sbank im Nationalra­t, mit dieser taktischen Finte entgeht er geschickt seiner parteiinte­rnen Demontage. Die wäre beim Parteitag im Oktober geplant gewesen. Den SPÖ-Chef hätte wohl eine Streichorg­ie durch all jene erwartet, die seine Migrations­politik für zu weich, seine Klimapolit­ik für zu grün halten. Und die ihm immer noch nicht verziehen haben, den Kanzlerses­sel an Sebastian Kurz verloren zu haben. Zudem haben noch immer Fans des aus dem Amt gepfiffene­n Werner Faymann mit Kern eine Rechnung offen.

Mit seiner Ankündigun­g, im nächsten Jahr ohnehin wieder zurückzutr­eten, besänftigt Kern den Zornflügel seiner Partei und erspart sich die schon abgemachte Abstrafung.

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