So entgeht Kern der Demontage
Am Vorabend des EU-Gipfels in Salzburg hat SPÖ-Chef Christian Kern die politisch interessierte Öffentlichkeit und vor allem die Medien ordentlich vorgeführt. Aus der schlichten Ankündigung einer Parteisitzung samt öffentlicher Stellungnahme wurde im Stille-Post-Verfahren alsbald der sofortige Rücktritt von allen Positionen. Mögliche Nachfolger wurden genannt. Auch Kerns neues Betätigungsfeld wurde kolportiert: der russische Energiekonzern Gazprom. So viel zum Prinzip „richtig vor schnell“, das gerade heutzutage nicht nur von den Medien stärker berücksichtigt werden sollte.
Herausgekommen ist dann doch noch ein Funken Wahrheit: Kern will sein Amt als SPÖ-Chef tatsächlich zurücklegen, aber erst im Juni oder Juli nächsten Jahres. Zuvor will er noch erfolgreich die EU-Wahl schlagen. Er tritt dabei als Spitzenkandidat seiner Partei an.
Abgesehen davon, dass Kern auf das Brüsseler Parkett ohnehin besser passt als auf die harte Oppositionsbank im Nationalrat, mit dieser taktischen Finte entgeht er geschickt seiner parteiinternen Demontage. Die wäre beim Parteitag im Oktober geplant gewesen. Den SPÖ-Chef hätte wohl eine Streichorgie durch all jene erwartet, die seine Migrationspolitik für zu weich, seine Klimapolitik für zu grün halten. Und die ihm immer noch nicht verziehen haben, den Kanzlersessel an Sebastian Kurz verloren zu haben. Zudem haben noch immer Fans des aus dem Amt gepfiffenen Werner Faymann mit Kern eine Rechnung offen.
Mit seiner Ankündigung, im nächsten Jahr ohnehin wieder zurückzutreten, besänftigt Kern den Zornflügel seiner Partei und erspart sich die schon abgemachte Abstrafung.