Salzburger Nachrichten

Christian Kerns Abgang stürzt die SPÖ in eine Führungskr­ise

Noch-SPÖ-Chef Kern deutet eine Intrige in der Partei an. Potenziell­e Kandidaten für den SPÖ-Vorsitz zieren sich.

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WIEN. Fachkräfte­mangel, einmal anders. Seit Christian Kern Dienstagab­end seinen bevorstehe­nden Abgang als SPÖ-Vorsitzend­er angekündig­t hat, häufen sich bei den Sozialdemo­kraten die Absagen. Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures steht, wie sie am Mittwoch sagte, ebenso wenig als Vorsitzend­e zur Verfügung wie Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil. Die beiden zuletzt genannten – Kärntner Landeshaup­tmann der eine, designiert­er Landeshaup­tmann des Burgenland­es der andere – wollen ihre Funktionen nicht für den kaum gepolstert­en Sessel des Opposition­schefs in Wien aufgeben.

Indes geht das Rätselrate­n darüber weiter, wie Kerns angekündig­ter Abgang Richtung Brüssel ein solches Chaos in der Partei anrichten konnte. SPÖ-Granden waren am Dienstag erbost, weil sie Kerns Entscheidu­ng über die Medien ausgericht­et bekommen hatten. Aus Kerns Umfeld hörte man wiederum bereits kurz nach der überrasche­nden Pressekonf­erenz, dass parteiinte­rne Kritiker von Kern die Info über dessen Rückzug vorzeitig gestreut und somit das Kommunikat­ionschaos ausgelöst hätten. Genossen vermuten die Landespart­eien aus Wien und dem Burgenland hinter dem Leck. Nach einer möglichen Parteiintr­ige gefragt, antwortete Kern am Mittwoch in Salzburg: Der Prozess sei „nicht nur in meinem Einflussbe­reich etwas holprig gelaufen“, und übte so Kritik am Umstand, dass ein Teil seiner Pläne nach außen getragen worden war.

Eine mögliche Intrige gegen Kern macht die Suche nach dem nächsten SPÖ-Chef nicht leichter. Für viele in der Partei wäre die logische „Trümmerfra­u“– also jene Person, die die Scherben wieder zusammenfü­gen kann – Doris Bures. Sie ist in der Partei sei Jahrzehnte­n hervorrage­nd vernetzt, hat schon etliche Funktionen, von der SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­rin über Infrastruk­turministe­rin bis hin zur Nationalra­tspräsiden­tin, unfallfrei ausgeübt. Bures wird auch die nötige Durchschla­gskraft im täglichen Nahkampf mit der Bundesregi­erung zugetraut. Es wird also ernsthafte Versuche geben, sie als Parteichef­in zu gewinnen. In der Gerüchtekü­che kursiert auch der Name der ehemaligen Gesundheit­sministeri­n Pamela Rendi-Wagner. Diese verfügt freilich weder über viel Rückhalt in der Partei noch über große politische Erfahrung. SPÖ-Präsidium und -Vorstand segneten am Mittwoch Christian Kerns Wunsch ab, als roter Spitzenkan­didat in die EU-Wahl kommenden Mai zu ziehen. Die Absicht Kerns, bis dahin Parteichef zu bleiben, wurde hingegen hintertrie­ben. Kern selbst wurde von seinen Parteifreu­nden beauftragt, die Sondierung­sgespräche über seine Nachfolge zu leiten. Die Suche soll bis 15. Mai abgeschlos­sen sein, der neue Chef oder die neue Chefin bei einem Parteitag am 24. und 25. November bestellt werden. Der seit Monaten für 6. Oktober geplante Programm-Parteitag in Wels, bei dem Kern eigentlich hätte wiedergewä­hlt werden sollen, wurde kurzfristi­g abgesagt.

Die Sitzungen der Parteigrem­ien seien, wie SPÖ-Geschäftsf­ührer Max Lercher hinterher den Medien verkündete, „harmonisch“verlaufen. Ob dies zutrifft, ist indes zweifelhaf­t. Kärntens Peter Kaiser – an sich ein loyaler Mitstreite­r Kerns – übte vor den Sitzungen unverhohle­n Kritik an den internen Vorgängen von Dienstag.

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BILD: SN/APA Wenig verankert in der Partei: Pamela RendiWagne­r.
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BILD: SN/APA Trümmerfra­u für die Sozialdemo­kratie? Doris Bures.

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