Im Schatten der Banken schlummern neue Risiken
Nach 2008 nahm sich die Politik vor, die Finanzmärkte einzudämmen. Mittlerweile geht es mit ihrer Billigung in die Gegenrichtung.
Der Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers ist abgehakt, der Alltag hat uns wieder. An den Finanzmärkten geht es munter zu wie eh und je, die New Yorker Börse eilt von Rekord zu Rekord. Da und dort laut werdende Warnungen, es könne nicht ewig so weitergehen, werden in den Wind geschlagen, man will sich die schöne neue Finanzwelt eben nicht vermiesen lassen.
Das hatten wir doch schon? Auch vor der Finanzkrise 2008 gab es Stimmen, die warnten, dass man gefährlichen Zeiten entgegengehe. Sie wurden entweder geflissentlich überhört oder als Spielverderber abgestempelt, denen man keine Bedeutung schenken solle. Der Ausgang ist bekannt. Dass die Akteure an den Finanzmärkten kein Interesse daran haben, sich die Party verderben zu lassen, mag man verstehen. Aber mittlerweile schleicht sich in der Politik wieder eine gefährliche Rhetorik ein. Vor allem in Europa ist das Lamento zu hören, die Banken verdienten zu wenig, sie fielen hinter ihre US-Konkurrenten zurück. Und in den USA bleibt es nicht beim Reden, dort hat US-Präsident Donald Trump einige der Regeln, die Banken und das ganze Finanzsystem sicherer machen sollten, wieder rückgängig gemacht.
Das löst in Europa zu Recht Unbehagen aus, und führt dazu, dass man ebenfalls an Prinzipien zu rütteln beginnt. Die Zahl der Politiker, die von Fusionen großer Geldhäuser fantasieren, steigt. Europas Banken müssten größer und stärker werden, um den US-Konkurrenten Paroli bieten zu können. Dass deren höhere Erträge daher rühren, dass sie ein riskanteres Geschäft als die Konkurrenz in Europa betreiben, wird dabei ebenso ausgeblendet wie die Tatsache, dass viele Banken zehn Jahre nach der Finanzkrise immer noch „too big to fail“sind. Dass sie mit den Mitteln aufgefangen werden können, die Banken in Europa für den Fall einer Krise zurücklegen müssen, ist eine Illusion. Zudem übersieht man bei der Fixierung auf die Wall-Street-Banken, dass die vier weltgrößten Institute mittlerweile alle aus China kommen.
Es stimmt, Banken haben vor dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 viel falsch gemacht. Aber man darf nicht vergessen, dass die Politik ein gerüttelt Maß an Schuld mitträgt. Die Subprime-Krise in den USA, die Vergabe von Krediten an Menschen, die sich einen solchen gar nicht leisten konnten, wurde durch die politische Vorgabe ausgelöst, dass jeder US-Bürger zu seinem Eigenheim kommen sollte, koste es, was es wolle. Es kostete am Ende ziemlich viel.
Auch heute trägt die Politik ihren Teil dazu bei, dass Banken krisenanfällig sind. Sie tun es aus purem Eigennutz. Um sich die Finanzie- rung politischer Vorhaben zu erleichtern, gilt unverändert die Regel, dass Banken Staatsanleihen kaufen können, ohne für deren Ausfall vorsorgen zu müssen. Während sie alle anderen Anlageklassen mit ihrem Risiko gewichten und entsprechend viel Kapital dafür vorhalten müssen, ist es bei Staatsanleihen nicht so. Die gelten auf dem Papier weiter als hundertprozentig sicher. Das ist freilich eine Schimäre.
Dass die Banken gezwungen wurden, bei der Vergabe von Krediten mehr Vorsicht walten zu lassen, war richtig. Es führte aber dazu, dass sich ein großer Teil der gestiegenen Schulden zu Private-Equity- und Hedgefonds verlagert hat. Sie spielen vor allem in der Finanzierung von Unternehmen eine größere Rolle. Dass die globalen Finanzmärkte im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung seit der Finanzkrise nicht kleiner geworden, sondern noch gewachsen sind, hat auch mit der expansiven Geldpolitik der Notenbanken zu tun. Weil das Geld nur zum Teil in die Realwirtschaft floss, suchte es sich neue Wege – und landete in den sogenannten Schattenbanken. Dass Politik und Aufseher seit 2008 ein scharfes Auge auf die Banken haben, war unvermeidlich. Aber gleichzeitig sehen sie weitgehend machtlos zu, dass anderswo Risiken entstehen, auf deren Eindämmung sie kaum Einfluss haben. Beruhigend ist das nicht. WWW.SN.AT/WIENS