Macht des Amtsgeheimnisses
Die Regierung hat das Informationsfreiheitsgesetz längst auf die lange Bank geschoben. Und das Innenministerium will kritische Journalisten vom Informationsfluss abschneiden.
Der Staat sammelt mehr und mehr Informationen über die Bürger. Doch Österreichs Bürger und Medien haben es im internationalen Vergleich besonders schwer, Informationen vom Staat, von Ämtern und Ministerien zu erhalten. Das Recht auf Auskunft vom Staat wird weiter durch ein striktes Amtsgeheimnis, das sogar in der Verfassung steht, unterminiert. Das lange Jahre verhandelte Informationsfreiheitsgesetz wird von der neuen Regierung offenbar gar nicht mehr angestrebt. Und für kritische Medien wird es, wie ein aktueller Ukas des Pressesprechers des Innenministeriums nun zeigt, immer schwieriger, an Informationen aus manchem Ministerium heranzukommen.
Fast fünf Jahre verhandelten die Parteien über ein Informationsfreiheitsgesetz, mit dem das Amtsgeheimnis abgeschafft werden sollte. Für die Durchsetzung wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, die Verhandlungen waren weit gediehen und scheiterten im Vorjahr – wechselseitige Schuldzuweisungen inklusive. In das Koalitionsabkommen der ÖVP-FPÖ-Regierung hat die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes dann nicht einmal mehr Eingang gefunden.
Der heutige Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte zwar 2013 noch einen „gläsernen Staat statt gläserner Bürger“in Aussicht gestellt. Aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Liste Pilz durch Kurz geht nun aber hervor, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode das Thema Informationsfreiheitsgesetz und Abschaffung des Amtsgeheimnisses auf die lange Bank zu schieben gedenkt. Diesbezüglich seien „keine gesonderten Maßnahmen“vorgesehen, beschied der Kanzler dem anfragenden Mandatar Alfred Noll. Denn ob eine Auskunftsverweigerung durch staatliche Stellen zulässig sei, unterliege ohnedies der Missbrauchskontrolle durch die Datenschutzbehörde.
Anfragesteller Alfred Noll spricht von einem „Wortbruch“des Bundeskanzlers. Dieser habe ihm 2013, in seiner Zeit als Staatssekretär, „versprochen“, dass ein Informationsfreiheitsgesetz kommen werde. Es sei völlig absurd, dass ein Bundeskanzler, der Österreich modernisieren wolle, dieses längst notwendige Gesetz nicht vorlegen wolle. „Die Ämter und Behörden müssen angehalten werden, von sich aus die Bürger mit Informationen zu versorgen“, verlangt Noll. Dabei macht es gerade das Innenministerium kritischen Journalisten immer schwerer, an Informationen zu gelangen. In einem vierseitigen Papier, das der Pressesprecher des Ministeriums letzte Woche an alle Leiter der Pressestellen der neun Landespolizeidirektionen ausgesandt hat, wird verlangt, die Kommunikation mit „kritischen Medien“auf „das nötigste (rechtlich vorgesehene) Maß zu beschränken“und nicht noch „Zuckerl, wie beispielsweise Exklusivbegleitungen“, zu ermöglichen.
Journalisten mehrerer Medien haben in den letzten Wochen bereits erleben müssen, dass ihnen bei kritischen Anfragen im Innenministerium eine Auskunft gerade einmal innerhalb der „gesetzlich vorgesehenen“acht Wochen in Aussicht gestellt wurde. „Viele unserer Anfragen wurden seit dem Ministerwechsel nicht mehr beantwortet“, berichtet ein „Kurier“-Redakteur den „Salzburger Nachrichten“.
Der Ministeriumssprecher beklagte in seinem Ukas an die Polizei-Pressestellen eine sehr einseitige und negative Berichterstattung über das BMI bzw. die Polizei „seitens gewisser Medien (z. B.: ,Standard‘, ,Falter‘) sowie neuerdings auch seitens des ,Kuriers‘“und regte zur Zurückhaltung bei der Auskunftserteilung an: „Ich darf daher bitten, bei Anfragen besonders Bedacht zu nehmen und die Auswirkungen mitzubedenken.“