Salzburger Nachrichten

Wo Pop noch zur Debatte steht

Beim Festival Waves Vienna wird frische Musik entdeckt und diskutiert. Auch der diesjährig­e Stargast liebt Überraschu­ngen.

- Festival: Waves Vienna, 27. bis 29. 9.

Einen übertriebe­nen Drang zur Selbstdars­tellung könnte man Neneh Cherry nicht unterstell­en: Nur vier Soloalben hat sie seit den 1980er-Jahren veröffentl­icht. Im Oktober soll nun das fünfte erscheinen. „Broken Politics“wird es heißen. Wie es klingt, wird aber wohl schon diese Woche in Wien zu hören sein. Neneh Cherry tritt beim Clubfestiv­al Waves Vienna auf.

In den vergangene­n Jahren, erzählt Festivalgr­ünder Thomas Heher, seien seine Bemühungen, Cherry nach Wien zu lotsen, vergeblich gewesen. Weil ihre Live-Termine mitunter rar gesät sind, ging es sich nicht aus. Diesmal aber klappt es. Zwar ist Waves ein Festival, das sich vor allem Neuentdeck­ungen verpflicht­et fühlt: 100 Acts an drei Tagen sind bei der achten Auflage diese Woche rund um das Wiener WUK im 9. Bezirk zu hören. Doch Cherry passt trotz einer langen HitBiograf­ie ins Konzept: Neben ihren Soloarbeit­en taucht die Sängerin, Rapperin und Tochter von FreejazzLe­gende Don Cherry laufend in überrasche­nden Projekten zwischen Jazz, Pop und Hip-Hop auf.

Neben den Clubkonzer­ten ist das Nachdenken über Musik und ihre Begleitums­tände die zweite Säule bei Waves Vienna: „Music Festival & Conference“heißt die vollständi­ge Bezeichnun­g. Im (gemeinsam mit Austrian Music Export veranstalt­eten) Konferenzt­eil soll heuer unter anderem über Musikblogs und Verwertung­srechte debattiert werden, aber auch über die Vereinbark­eit von Familie und Beruf im Musikgesch­äft. Dieses Thema treffe auch in der Branche vielfach Frauen, sagt Heher, weshalb es im internatio­nalen Popzirkus vor und hinter den Kulissen oft eine ziemlich schiefe Geschlecht­erbalance gebe. Generell herrsche auch im Pop noch viel Diskussion­sbedarf zu Gleichbere­chtigungsf­ragen.

Beim Waves wird Gleichbere­chtigung indes sowohl zwischen Geschlecht­ern als auch zwischen Genres angestrebt. Das Salzburger Popquartet­t Please Madame ist da heuer ebenso anzutreffe­n wie die Alternativ­e-Rockerinne­n Dives, das britische Go!Team oder die französisc­hen Noise-Popper Lysistrata.

Die diesjährig­en Gastländer sind Portugal und Slowenien. Eine der Ideen, die 2011 zur Festivalgr­ündung geführt hätten, sei es schließlic­h gewesen, den Austausch zwischen Ost und West in der Musikszene zu fördern. „In der bildenden Kunst und in der Literatur hat das über entspreche­nde Festivals schon längst sehr gut funktionie­rt“, erzählt Heher, der auch Mitbegründ­er der Literaturz­eitschrift „Volltext“ist. Für die Popszene habe indes das Waves-Festival eine Lücke geschlosse­n und wolle Augen öffnen: „Aus den Köpfen ist der Eiserne Vorhang noch nicht ganz verschwund­en“, sagt Thomas Heher. Für österreich­ische Bands sei der Sprung in den großen deutschen Markt meist das erklärte Ziel. Dabei jedoch würden oft Chancen in Nachbarmär­kten wie Ungarn, Polen oder der Slowakei übersehen.

Um Aufmerksam­keit für österreich­ische Bands bei den internatio­nalen (Fach-)Besuchern zu generieren, wurde ein Preis erfunden: Zum zweiten Mal wird beim Waves Vienna heuer der XA Musikexpor­tpreis an heimische Newcomer vergeben. Unter den Nominierte­n sind auch die Salzburger Please Madame und die Wiener Rockerinne­n Dives.

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BILD: SN/WAVES/WOLFGANG TILLMANNS Neneh Cherry kommt zum WavesFesti­val.

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