„Die Art, wie gemordet wird, verändert sich“
Die Zahl der Morde in Österreich wird heuer weiter steigen. Experten orten auch in anderen kriminellen Feldern Zuwächse.
„Online-Shops täuschen viele Kunden.“Franz Lang, Direktor Bundeskriminalamt
Für Exekutive und Justiz sind die aktuellen Entwicklungen nicht besonders erfreulich: Erst im vergangenen Jahr schnellte die Zahl der Morde in die Höhe – im Vergleich zum Jahr 2016 von 46 auf 54, was eine Steigerung von 17,4 Prozent bedeutet. Auch für 2018 zeichnet sich ein Plus bei den vollendeten Tötungsdelikten ab. Das sagte der Direktor des Bundeskriminalamts (BK), Franz Lang, am Montag im Gespräch mit den SN und fügte hinzu: „Vor allem die Art, wie gemordet wird, verändert sich.“
Konkret: Bei immer mehr Tötungsdelikten ist die Tatwaffe ein Messer. Der Vorarlberger Kriminalpsychologe Reinhard Haller erklärt das so: „Messer sind als Alltagsgegenstand in jeder Küche zur Hand. Schusswaffen zu bekommen ist weitaus schwieriger. Auf sie haben nur wenige potenzielle Täter Zugriff.“Dazu komme, dass die Tötungsdelikte zunehmend motivärmer oder sogar motivlos seien, sagt Haller. Schon bei Kleinigkeiten könnten Aggressionen derart ausufern, dass die Hemmschwelle, zuzustechen, komplett falle. „Ich beobachte, dass Menschen viel kränkbarer sind als noch vor ein paar Jahren. Die Haut wird dünner“, erklärt der Psychiater. Eine Ursache sieht er im steigenden Narzissmus, also der Ich-Bezogenheit, die mit der digitalen Kommunikation über Handy und Computer einhergehe. „Dabei können Emotionen zu kurz kommen und anders, negativ, ausgelebt werden.“
Dass Messer öfter zum Mordinstrument werden, hat für Haller durchaus auch kulturelle Hintergründe: „Es ist eine Tatsache, dass diese Art zu töten in anderen Kulturen eine gewisse Tradition hat und einige Menschen aus diesen Kulturen erwiesenermaßen bei uns in solche Straftaten verwickelt sind.“
Diese Behauptung stützt etwa der am Montag bekannt gewordene Fall eines 20-jährigen Afghanen, der bereits am Donnerstag einen Mann in Baden bei Wien mit einem Messer attackiert haben soll. Der Beschuldigte soll sich erst eine Zigarette von seinem Opfer geschnorrt und es danach verfolgt haben. Er gestand schließlich, in Mordabsicht zugestochen zu haben.
Neben den zahlreichen Gewaltverbrechen ortet Bundeskriminalamt-Chef Franz Lang einen weiteren „Hotspot“im Internet, der sogenannten Cyberkriminalität. Auch hier werde man 2018 die Statistik mit einem deutlichen Plus abschließen. Die meisten Probleme gebe es mit gefälschten Online-Shops, über die man Waren bestellen kann, aber nicht erhält. „Solche Shops existieren fünf oder zehn Tage, dann ändern sie ihre Internetadresse, den Namen und den Inhalt, treiben erneut ihr Unwesen und täuschen viele Kunden“, so der Kriminalist.
Auch Plattformen, auf denen Privatanbieter ihre Waren – vom Super-Oldtimer bis hin zur wertvollen Haarspange – anbieten, werden oftmals Schauplatz von Online-Betrügereien. „Entweder jemand bestellt und bezahlt etwas, das er nie zugeschickt bekommt, oder jemand versendet etwas, für das er nie das vereinbarte Geld sieht. Betrug funktioniert hier leider in beide Richtungen“, erklärt Lang.
Mit Blick auf Österreichs Jugend nennt der Chef der Zentralstelle zwei Probleme: Einerseits das Versenden von Nacktfotos auf Handys, was den Tatbestand von pornografischer Darstellung Minderjähriger erfüllt. Lang: „Mit intimen Fotos werden etliche Jugendliche – oft in ihrem eigenen Bekanntenkreis – erpresst.“Andererseits nennt der BKLeiter vermehrte Angriffe auf Mädchen und Burschen mit dem Ziel, ihnen ihre Smartphones zu entreißen. „Es kommt schon des Öfteren vor, dass ein 15-Jähriger nach einem Bier am Abend heimgeht und auf seinem Weg von anderen Jugendlichen angegriffen wird, die ihm sein Handy wegnehmen“, schildert der gebürtige Salzburger einen solchen Tathergang und ergänzt: „Die Zahlen bei bewaffneten Überfällen und schwerem Raub werden hingegen auch heuer wieder etwas sinken.“
Weil mit Herbstbeginn nun die „Saison“für Dämmerungseinbrecher beginnt, betonte Lang, dass man diese Form der Kriminalität gut im Griff habe. Skurril: Er berichtete von einem Fall, bei dem ein Einbrecher mit dem Fahrrad zu seinem Tatort fuhr. Was das zeigen soll? „Dass keine schweren Dinge wie Fernseher mehr erklärte Beute sind – sondern Leichtes wie Bargeld, Schmuck und Handys.“