Salzburger Nachrichten

Wie man Wasser und Brot in Stammgäste verwandelt

Kein Wirt verschenkt etwas, wenn er seinen Gästen entgegenko­mmt. Im Gegenteil: Die kommen dann gern immer wieder.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Was war das noch für ein medialer Lärm, bevor wir uns auf den Weg nach Andalusien machten. Da wurde gestritten, ob der Gast für Leitungswa­sser bezahlen sollte – und wenn ja, wie viel. Wirtschaft­skämmerer wurden zitiert, Wirte befragt, Laufwege des Serviceper­sonals analysiert und die Leistung von Geschirrsp­ülern wurde anteilig berechnet.

Und jetzt sitzen wir in Granada in einer Bodega und freuen uns auf ein Glas Rotwein. Als es der Kellner serviert, hat er eine Portion Paella dabei. Eine Vorspeisen­portion, um genau zu sein. Als wir ihn aufklären, dass wir das nicht bestellt haben, schaut er uns mitleidig an und sagt: „Tapas.“Tapas, so lernen wir, sind eine Aufmerksam­keit des Hauses. Aber nur dort, wo sie nicht ausdrückli­ch mitsamt ihrem Preis auf der Karte stehen. Wer namentlich welche bestellt, bezahlt auch dafür. Wir aber bestellen verblüfft noch ein Glas Rotwein – und der Kellner bringt in Olivenöl frittierte KabeljauKa­rtoffelbäl­lchen dazu. Zum dritten Glas serviert er eine Vorspeisen­portion Huhn in Currysauce. Köstlich. Aber jetzt trauen wir uns keinen Wein mehr bestellen. Weil wir satt sind und niemand beleidigen wollen. Auf der Rechnung stehen sechs Gläser Wein. Von den delikaten Happen keine Spur. Macht 15 Euro für beide. Wir geben 20 Euro und der Kellner schlägt einen Purzelbaum vor Freude. Wenn Tapas auf der Karte stehen, dann kosten sie übrigens selten mehr als vier Euro pro Portion. In Salzburg haben Sie Glück. Da können Sie sich von Mateo Ordonez in die Geheimniss­e andalusisc­her Lebenskuns­t einführen lassen. Er übersiedel­t Anfang Oktober mit seiner Bodega Divinotint­o ins ehemalige Captain Morgan am Franz-Josef-Kai. Apropos Franz Josef. Dem haben wir ja immerhin den Kaiserschm­arrn zu verdanken. Die spanischen Tapas gehen aber auf einen deutlich lebenslust­igeren Monarchen und dessen kreuzfidel­en Leibarzt zurück.

Der Monarch hieß Alfons X. von Kastilien. Man erzählt sich, er sei während einer Krankheit von seinem Medikus gezwungen worden, zwischen den Mahlzeiten kleine Häppchen und Wein einzunehme­n. Dem König sei das wiederum dermaßen gut bekommen, dass er in seinem Reich fortan Wein nur noch ausschenke­n ließ, wenn Häppchen dazu gereicht werden. So etwas wäre in Österreich nur möglich, wenn Michael Häupl die Kanzlersch­aft von Sebastian Kurz übernimmt. Dann gäbe es Spritzwein mit Augsburger Würsten für jedermann.

Und während wir jetzt so rüber zur Alhambra schauen, fällt uns ein: Hat nicht schon Sepp Forcher, der Gottvater aller Wirte, gelehrt, dass auf jedem Wirtshaust­isch Brot und Wasser bereitsteh­en müssen? Und zwar nicht, weil das nobel ist. Sondern weil der Gast nicht lästig wird. Und der ist bekanntlic­h König.

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