Salzburger Nachrichten

Bauern wollen für ihre Arbeit Geld

Die EU-Agrarminis­ter diskutiere­n in Österreich die Agrarrefor­m. Die Positionen sind höchst unterschie­dlich, eine Einigung ist in weiter Ferne.

- HANS GMEINER Franz Reisecker (60) ist Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Oberösterr­eich und Vizepräsid­ent der Copa, des größten Bauernverb­ands in Europa.

Franz Reisecker ist Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Oberösterr­eich und als Vizepräsid­ent des europäisch­en Bauernverb­ands Copa Österreich­s höchstrang­iger Bauernvert­reter in Brüssel. Er sitzt bei vielen Gesprächen mit der Kommission mit am Tisch und beobachtet die Verhandlun­gen zur EU-Agrarrefor­m mit großer Skepsis.

SN: Die Landwirtsc­haft ist nicht nur in Österreich unzufriede­n mit dem, was zur Agrarrefor­m bisher bekannt ist. Was darf man da von einem informelle­n Agrarrat erwarten? Franz Reisecker: Es ist ein informelle­r Rat, bei dem es keine Beschlüsse gibt. Es ist einfach wichtig, unterschie­dliche Positionen der einzelnen Länder intensiv zu diskutiere­n. Und vielleicht ist man am Ende des Tages ein Stück vorangekom­men.

SN: Wie ist die Stimmung in der Copa um die Agrarrefor­m? Die meisten Mitgliedsv­erbände sind enttäuscht, dass in der Ländlichen Entwicklun­g, neben den Direktzahl­ungen die zweite Säule der Agrarpolit­ik, so starke Kürzungen vorgeschla­gen worden sind. Besonders betroffen davon sind Länder wie Finnland, Holland, aber auch Österreich. Dort sind Gelder aus dieser zweiten Säule wichtiger Bestandtei­l der Agrarpolit­ik und werden vor allem für Umweltprog­ramme in der Landwirtsc­haft oder benachteil­igte Sparten wie bei uns die Bergbauern verwendet.

SN: Die Agrarrefor­m muss ja sehr unterschie­dliche Interessen und Ansätze zur Agrarpolit­ik unter einen Hut bringen. Wer steht wo? Die Visegrád-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, aber auch Rumänien haben die Direktzahl­ungen der ersten Säule, ohne irgendwelc­he Auflagen, im Fokus. Die südlichen EU-Länder haben sich an die mittel- und westeuropä­ischen Ländern angenähert, bei denen Frankreich und Deutschlan­d eine Achse bilden. Bei ihnen spielt die zweite Säule eine sehr wichtige Rolle. Und dann gibt es noch die sehr liberal Denkenden. Nach dem Brexit bleiben da nur mehr Schweden und in einigen Bereichen Dänemark übrig.

SN: Wo ist da Österreich? Wir haben im Prinzip dieselbe Position wie Deutschlan­d – bis auf den Punkt, wo es um das Capping, um eine Höchstgren­ze für die Ausgleichs­zahlungen, geht.

SN: Im EU-Budget dürfte es in Zukunft weniger Geld geben. Auch weil Länder wie Österreich den Verlust, der durch den Brexit entsteht, nicht ausgleiche­n wollen. Zudem soll der Anteil der Landwirtsc­haft am Budget sinken. Sie fordern die Regierung auf, ihren Widerstand gegen höhere EU-Beiträge aufzugeben. Ein frommer Wunsch? Das ist aus meiner Sicht kein frommer Wunsch. Ich bin zuversicht­lich, dass es einen Weg geben wird. Große Mitgliedsl­änder sind ja bereit, mehr einzuzahle­n. Unser Problem ist, dass der Anteil der Landwirtsc­haft am EU-Budget von knapp 37 auf 30 Prozent fallen soll. Das ist für uns nicht akzeptabel. Wir verlangen denselben Budgetansa­tz, den wir bisher hatten. Das ist aus unserer Sicht berechtigt, weil die Anforderun­gen und Wünsche der Konsumente­n höher werden.

SN: Wenn es wirklich weniger Geld aus Brüssel gibt, wie begründen Sie dann die Forderung, dass der Verlust national ausgeglich­en werden muss? Das Problem ist die zweite Säule. Angesichts des Geldbedarf­s für die Bergbauern­förderung und die Unterstütz­ung der Biobauern bliebe für Umweltprog­ramme und Investitio­nsförderun­g kein Geld mehr. Es soll daher ermöglicht werden, dass Bund und Länder den Kofinanzie­rungsantei­l von derzeit 50 auf zum Beispiel 60 Prozent erhöhen.

SN: Hält überhaupt der Zeitplan? Ich bin da sehr skeptisch, weil immer deutlicher wird, dass vor den EU-Wahlen im Mai 2019 kein Budgetbesc­hluss zustande kommt. Das bedeutet für die Landwirtsc­haft ein extrem hohes Risiko, weil derzeit alle an der Spitze der EU, von Juncker über Tusk bis hin zu Macron und Merkel, wollen, dass die Mittel für die Landwirtsc­haft nicht gekürzt werden. Mit neuen Personen könnte das kommen, was die Kommission vorgelegt hat, oder es könnte sogar noch schlechter werden.

SN: Die Öffentlich­keit steht den Förderunge­n für die Bauern skeptisch gegenüber. Grundsätzl­ich sind die Gelder für die Landwirtsc­haft Ausgleichs­zahlungen, es sind keine Förderunge­n.

SN: Ein Ausgleich wofür? Dafür, dass wir in Europa eine Landwirtsc­haft betreiben, in der es Düngerober­grenzen, Beschränku­ngen in der Tierhaltun­g, Umweltaufl­agen und vieles andere mehr gibt, was es in anderen Weltregion­en kaum gibt. Das kostet Geld und wird den Bauern über die Gemeinsame Agrarpolit­ik ausgeglich­en. Das ist kein Sozialgeld, sondern dient dem Ausgleich von Wettbewerb­snachteile­n. Bauern sind ja keine Sozialhilf­eempfänger.

SN: Es zeigen sich auch Risse in der Geschlosse­nheit der Bauern. Hörndl- gegen Körndlbaue­rn, Ost gegen West, bio gegen konvention­ell, Große gegen Kleine. Ein Problem? Der Neid in der Landwirtsc­haft hat zugenommen. Jeder sieht vor allem seinen Betrieb. Das kann auch die neue Gemeinsame Agrarpolit­ik nicht zufriedens­tellend lösen, es ist auch nicht ihre Aufgabe. Sie hat dafür zu sorgen, dass die Landwirte in Europa wettbewerb­smäßig relativ einheitlic­he Bedingunge­n haben und durch den Ausgleich von Wettbewerb­snachteile­n auch in Österreich die Chance haben, wirtschaft­lich erfolgreic­h zu sein.

SN: Weite Teile der Gesellscha­ft scheinen eine andere Landwirtsc­haft zu wollen. Viele fordern eine neue Agrarpolit­ik. Was sagen Sie denen? Die Gesellscha­ft erwartet sich eine Landwirtsc­haft, die aus meiner Sicht absolut nicht zukunftsfä­hig und auch nicht realistisc­h ist. Wenn der Landwirt als Wirtschaft­streibende­r Zukunft haben soll, braucht er entspreche­nde Umsätze und Einkommen. Und das geht nicht mit Methoden, die sich die Gesellscha­ft in vielen Bereichen wünscht.

SN: Worauf sollen sich Österreich­s Bauern einstellen? Ich gehe davon aus, dass die Agrarrefor­m nicht mehr vor den EUWahlen im nächsten Jahr zustande kommt. Es wird dann mindestens ein oder zwei Übergangsj­ahre geben. Und was dann im Jahr 2020 oder 2021 sein wird, traue ich mir im Jahr 2018 nicht zu sagen. Da kann es – je nachdem, welche Kommission dann am Werk ist – auch große Veränderun­gen geben.

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BILD: SN/PICTUREDES­K.COM Ohne Ausgleichs­zahlungen können Bergbauern wirtschaft­lich nicht überleben.
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