Der Job, den es nicht gibt
Martina Ritter ist die einzige Profiradsportlerin Österreichs. Am heutigen Dienstag schlägt ihre große Stunde bei der Rad-WM, danach ist Schluss mit einer Karriere voll Hindernissen.
INNSBRUCK. Der heutige Dienstag ist der Grund, warum Martina Ritter eigentlich noch als Radprofi tätig ist: Heute steigt das Einzelzeitfahren der Damen bei der HeimWM in Tirol mit Start in Wattens (ab 14.40 Uhr) und dem Ziel nach 27 Kilometern vor der Hofburg in Innsbruck. „Nur deswegen habe ich mich vor zwei Jahren entschlossen, dass ich noch weiterfahre“, sagt die Oberösterreicherin, die am letzten Sonntag 36 Jahre alt geworden ist. „Denn wann erlebt man schon einmal eine WM daheim?“
Und dank dieser WM wird sie in ihrer letzten Karriere-Woche vielleicht sogar noch einmal einem etwas breiteren Kreis an heimischen Sportfans bekannt werden. Und mit Sicherheit wird der eine oder andere staunen, dass es einen weiblichen Radprofi gibt.
Dabei ist das schon ein Widerspruch in sich, wie Ritter gleich klarmacht. „Was ich mache, das gibt es so eigentlich nicht in Österreich“, sagt sie und weiß gar nicht so genau, wo sie beim Aufzählen anfangen soll. „Es gibt kein einziges UCI-Rennen für Frauen in Österreich, es gibt kein einziges Radteam für Frauen, es gibt keine Nachwuchsarbeit. Das alles ist schade, aber es ist so.“So begann auch ihre Karriere eigentlich sehr spät („Ich bin erst mit 25 Jahren zum Radsport gekommen“) und über Umwege. Ihr Vater war einst Fußballer, danach hat er sich auf das Radfahren verlegt. Fortan hat sie ihn einst bei den Sonntagsausfahrten des RC Bad Leonfelden begleitet – und ist sich anfangs ziemlich komisch vorgekommen. „Die Männer haben eine Frau gesehen und sich gedacht: Die hängen wir gleich ab, die hat bei uns nichts verloren.“Das hat erst recht ihren Ehrgeiz angestachelt. „Ich habe gedacht: Mich hängt so schnell keiner ab.“So hatten die Sonntagsausfahrten durchaus sportlichen Wettkampfcharakter. Mangels Strukturen im heimischen Damenradsport war die nächste Station gleich das Nationalteam, da kam sie in den Kader und bestritt Auslandseinsätze. „Das war zwar schön, aber irgendwann habe ich mich gefragt, ob die paar Rundfahrten wirklich schon alles sind.“
Das war 2013 und da hat sich eine Chance aufgetan. „In Laibach hat sich ein neues Radteam für Frauen gegründet und der Manager hat mich gefragt, ob ich dabei sein will.“ Bis 2016 fuhr sie für das slowenische Team, dann wechselte sie nach England.
„Dass ich nach Olympia 2016 weitermache, das war eigentlich meine beste Entscheidung, denn 2017 war mein sportlich bestes Jahr überhaupt.“Sie wurde EMFünfte im Einzelzeitfahren und kam bei der Tour of California unter die Top 10.
Das brachte ihr auch einen Vertrag bei einem der größten Frauenradteams der Welt ein, dem britischen Team Wiggle High5. Aber es sei bezeichnend für die Situation in ihrem Sport, dass auch das Team zu Jahresende seinen Betrieb einstellt. „Dabei wird es von einer einstigen Rennradfahrerin betrieben, aber die hat befunden, dass sie nach so vielen Jahren im Radsport einmal Abstand braucht.“
Sie selbst tangiert die Entscheidung nicht mehr, nach dem heutigen Einzelzeitfahren und dem samstägigen Straßenrennen ist Schluss für sie. Ausgesorgt hat sie dann nicht. „Nein, natürlich nicht“, sagt sie mit einem Lachen. „Es ist sich eher immer so ausgegangen.“Dafür hat sie einen Job ausgeübt, den es so in Österreich nicht gibt.
Ganz gemäß dem Motto auf ihrer Homepage: „Ich kann. Ich will. Ich werde.“