Firmen locken Facharbeiter mit eigenen Wohnungen
Vor nicht allzu langer Zeit galt die Werkswohnung als verstaubt. Angesichts fehlender Fachkräfte und steigender Mietpreise denken Unternehmen nun wieder um.
KTM-Chef Stefan Pierer ist mit seinem Plan, in Werksnähe Mitarbeiterwohnungen im großen Stil zu errichten, kein Einzelfall. Die Werkswohnung erlebt einen neuen Aufschwung. Vor allem in Deutschland gehen Konzerne wie BASF oder VW wieder dazu über, neue Mitarbeiterwohnungen zu bauen. Damit will man bei der Personalsuche attraktiver sein und die Mobilität der Arbeitskräfte erhöhen.
In Österreich wird von den Unternehmen selbst zwar weniger aktiv gebaut, dafür steigt aus den Firmen die Nachfrage beim Wohnungskauf in Standortnähe. „Da werden gleich einmal 30 bis 50 Wohnungen für Mitarbeiter in einem Gebäudekomplex gekauft“, erklärt die Maklersprecherin des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), Sandra Bauernfeind.
Wohnraum wird aber nicht nur zum Marketing-Instrument bei der Personalsuche. Raum- und Immobilienökonom Gunther Maier von der WU Wien sieht darin auch ein Geschäft. Noch vor 15 oder 20 Jahren habe man aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten das Kapital in den Unternehmen konzentriert. Werkswohnungen seien im großen Stil verkauft worden. Heute könne man es sich wieder leisten und es sei auch attraktiv, in andere Geschäftsfelder wie Immobilien zu investieren. „Wenn man sie nicht mehr braucht, vermietet man sie fremd oder verkauft wieder.“
SALZBURG. BASF in Ludwigshafen tut es wieder, und auch die Konzerntochter VW Immobilien in Wolfsburg will Hunderte neue Wohnungen für Mitarbeiter errichten. Die 9000 bestehenden, die bis vor zehn Jahren noch zum Teil leer standen, sind wieder zur Gänze vermietet. Auch Bosch und Audi locken mit Mitarbeiterwohnungen.
Wer Arbeitskräfte sucht, muss heute mehr als nur einen Job anbieten. Angesichts fehlender Fachkräfte und steigender Mietpreise setzen Unternehmen immer öfter wieder auf das Zuckerl einer Wohnung. Die Werkswohnung, Ende des 19. Jahrhunderts eine Innovation der neuen Industriellen und später in den 1970er-Jahren wiederentdeckt, erlebt die nächste Renaissance.
In Österreich ließ zuletzt KTMChef Stefan Pierer damit aufhorchen, ein ganzes Dorf für Mitarbeiter errichten zu wollen. 26 Wohnblöcke mit 240 Wohnungen will er in Werksnähe in Munderfing bauen lassen. Das Geschäft in der Motorradfabrik brummt, allein 2017 wurden 500 neue Arbeitsplätze geschaffen. Und fehlender Wohnraum in der Gegend bereite bei der Mitarbeitersuche Probleme, erklärte Pierer. Zudem seien die Mietpreise im Innviertel horrend hoch.
Dass ein Betrieb selbst die Kräne auffahren lässt, um Wohnraum für Beschäftigte zu schaffen, damit ist der KTM-Chef hierzulande noch die Ausnahme. Anders als in Deutschland sei in Österreich noch kaum sichtbar, dass große Firmen ganz aktiv bauen würden, sagt die Maklersprecherin des Österreichischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (ÖVI), Sandra Bauernfeind. Lieber kauften Unternehmen Wohnungen. Und das in immer größerem Umfang. Eine verstärkte Anfrage für Wohnungskäufe in der Nähe von Firmenstandorten sei deutlich erkennbar. In Wien seien das, abhängig von der Firmengröße, „gleich einmal 30 oder 50 Wohnungen in einem Gebäudekomplex“. Diese Variante sei praktischer als jene der „Ghetto-Siedlung“, sagt Bauernfeind. „Wenn kein Bedarf für Mitarbeiter mehr da ist, wird fremdvermietet oder wieder verkauft.“Österreichweit zählten geschätzt vier bis fünf Prozent aller Wohnungen zur Kategorie „Untermieter oder sonstiges Rechtsverhältnis“, in die die Mitarbeiterwohnung fällt.
Für den Experten für Raum- und Immobilienökonomie an der Wirtschaftsuniversität Wien, Gunther Maier, ist firmeneigener Wohnraum nicht nur hilfreich bei der Suche nach Fachkräften, etwa, um die Mobilität von Arbeitskräften zu erhöhen. Maier sieht darin auch ein Geschäft. „Eine Immobilie ist für Firmen wieder eine Art von Investment und eine Strategie der Diversifizierung.“Noch vor 15 oder 20 Jahren habe man aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten das Kapital im Konzern oder Unternehmen konzentriert. Werkswohnungen seien im großen Stil verkauft worden. Heute könne man es sich wieder leisten und es sei auch attraktiv, in andere Geschäftsfelder wie Immobilien zu investieren. Große Ausmaße wie in Deutschland werde der Neubau von Werkswohnungen in Österreich allerdings nicht annehmen, glaubt Maier. Ganz einfach deshalb, weil man keine so große Anzahl an großen Konzernen im Land habe.
Mit rund 23.000 Liegenschaften, darunter 6000 Wohnungen, sind die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einer der größten Immobilieneigentümer. Das Wohnungsservice, das über ganz Österreich verteilt sei, habe Tradition und diene als leistbare Wohnalternative für die Mitarbeiter, sagt Unternehmenssprecherin Juliane Pamme. Bei der aktuellen Mitarbeitersuche will man das nutzen, um sich vom Mitbewerber abzuheben. Wegen einer hohen Zahl an Pensionierungen suchen die ÖBB in den nächsten Jahren über 10.000 neue Mitarbeiter.
Auch bei Eurofunk Kappacher in St. Johann bietet man Neuzugängen Wohnraum an. Denn rekrutiert wird international, die 500 Mitarbeiter des Spezialisten für Leitstellen stammen aus 25 Nationen. „Wir müssen als Standort und Firma attraktiv sein“, sagt Human-Resources-Managerin Petra Baumann. Bei der jüngsten Firmenerweiterung hat man deshalb mehrere Mitarbeiterwohnungen mitgebaut.
„Nachfragen in Firmennähe steigen.“Sandra Bauernfeind, ÖVI