Salzburger Nachrichten

Mord an 43 Studenten bleibt weiter ungeklärt

Vor vier Jahren starben in Mexiko Studenten unter mysteriöse­n Umständen. Ein Regierungs­wechsel lässt die Hinterblie­benen hoffen.

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MEXIKO-STADT. Doña Minerva Bello starb, ohne Gewissheit über den Verbleib ihres Sohnes erhalten zu haben. Die Mutter von Everardo Bello erlag einem Krebsleide­n. Der Kummer über den Verlust ihres Sohnes habe sie ins Grab gebracht, sagen Freunde der 43 Lehramtsst­udenten von Ayotzinapa, die vor vier Jahren in einer dunklen Nacht im Kampf mit staatliche­n Sicherheit­skräften und Drogenband­en verschlepp­t wurden und bis heute unauffindb­ar sind. „Doña Minerva ist die erste Angehörige, die verstorben ist“, sagt Menschenre­chtsanwalt Santiago Aguirre.

Immer mehr Eltern geben die Suche nach ihren Söhnen auf, kehren in ihre Dörfer zurück, um ihre Lebensgrun­dlage nicht zu verlieren. Eines aber macht den Angehörige­n jetzt noch einmal Mut: der Regierungs­wechsel Anfang Dezember. Der künftige Präsident Andrés Manuel López Obrador hat angekündig­t, den Fall aufzurolle­n und die fünf internatio­nalen Experten der Interameri­kanischen Menschenre­chtskommis­sion zurück ins Land zu holen. Er wolle endlich Gerechtigk­eit für das Verbrechen, sagte der Linkspolit­iker.

Die internatio­nalen Experten hatten in einer einjährige­n Untersuchu­ng mit wissenscha­ftlicher Genauigkei­t die Version widerlegt, die von mexikanisc­her Justiz und Regierung rund um das Verbrechen in der Nacht von 26. auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala konstruier­t worden war. Demnach wurden die 43 Studenten der Berufsschu­le in Ayotzinapa von einem kleinen lokalen Drogenkart­ell in der Stadt Iguala in Komplizens­chaft mit örtlicher Polizei und dem korrupten Bürgermeis­ter verschlepp­t und getötet. Anschließe­nd seien die Leichen auf einer Müllkippe in der Nähe verbrannt worden.

Diese Version wurde später durch Juristen, Ärzte und Psychologe­n der internatio­nalen Expertenko­mmission als frei erfunden widerlegt. Amnesty Internatio­nal bezeichnet­e diese offizielle Version sogar als „historisch­e Lüge“. Diese Lüge und das Verbrechen von Ayotzinapa, das in der ganzen Welt Entsetzen auslöste, war der Wendepunkt in der Amtszeit Peña Nietos. Der Politiker der Partei PRI galt als reformorie­ntierter Staatschef, der Mexiko ein neues Image verpassen könnte. Aber durch das Verbrechen und die Verschleie­rung des Hergangs durch Justiz und Regierung sowie die mögliche Mittätersc­haft von Militär und Bundespoli­zei fiel dieses Bild zusammen. Peña Nietos Amtszeit wird ewig mit dem Fall verbunden bleiben. Und noch mehr: Menschenre­chtler fürchten sogar Aktenverni­chtungen durch die scheidende Regierung.

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