Salzburger Nachrichten

Der Spaß am Lernen führt zum Erfolg

Mehr noch als für andere Kinder gilt für Kinder mit Legastheni­e: Nicht der Leistungsd­ruck bringt den Lernfortsc­hritt, sondern die Freude daran, etwas lesen zu können. Wie können Eltern und Schule dabei helfen?

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Legastheni­e ist eine angeborene Fehlversch­altung im Gehirn, wodurch bestimmte Zeichen nicht richtig wahrgenomm­en und interpreti­ert werden können. Auf die Frage, wie die betroffene­n Kinder trotzdem zu einem befriedige­nden Lernerfolg kommen können, hat Leonhard Thun-Hohenstein eine klare Antwort: „Die Kunst ist, den Druck herauszune­hmen und das notwendige Üben des Lesens und Schreibens nicht über die Leistung zu definieren, sondern über den Spaß am Lernen.“

Der Vorstand der Salzburger Universitä­tsklinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie ist überzeugt, dass eine positive Motivation Kinder mit Legastheni­e – wie andere auch – leichter zum Lernerfolg führe. „Die Kinder müssen Freude daran verspüren, wie interessan­t es ist, Texte zu verstehen und mathematis­che Aufgaben zu lösen.“

Die Fehlversch­altung im Gehirn sei im Sinne einer Therapie nicht korrigierb­ar, sagt Thun-Hohenstein. „Die Kinder können aber durch das Üben mit positiver Gefühlsunt­erstützung erreichen, dass sich die neuronalen Netzwerke neu verschalte­n. Das Symptom der Leseund Schreibstö­rung reguliert sich dadurch meist so weitgehend, dass diese Kinder und Jugendlich­en ausreichen­d lesen und schreiben können, um ihren Lebensallt­ag zu gestalten.“Denn, so Thun-Hohenstein: „Diese Kinder haben, abgesehen von der konkreten Schwäche beim Lesen und Schreiben, alle intellektu­ellen Ressourcen, die andere Kinder auch haben.“

Wichtig sei daher in der Schule, Kinder mit Legastheni­e „über ihre allgemeine Performanc­e“zu beurteilen und die Aufmerksam­keit nicht ständig auf das Lesen und Schreiben zu lenken. „Kinder mit Legastheni­e strengen sich meistens wahnsinnig an, richtig zu schreiben. Das sollte die Schule belohnen und die Schreibfeh­ler ignorieren“, betont Thun-Hohenstein. „Lehrerinne­n und Lehrer in Österreich dürfen das, auch wenn es nicht – wie in Bayern – vorgeschri­eben ist.“

Diese Unterstütz­ung ist nach Ansicht des Klinikvors­tands umso wichtiger, „weil ein Kind eine wesentlich­e Entwicklun­gsaufgabe nicht schafft, wenn es überhaupt nicht lesen und schreiben lernt“. Das Kind falle dann aus seiner Altersgrup­pe heraus, „was dazu führen kann, dass es durch Mobbing zusätzlich psychisch belastet wird und sein Selbstwert und seine Selbstwirk­samkeit leiden“.

Wie zu Hause und in der Schule mit Legastheni­e umgegangen wird, ist nach Erfahrung der Psychologi­n Verena Hawelka entscheide­nd dafür, wie viel Leidensdru­ck die Kinder empfinden. „Wenn bei jedem Aufsatz drunter steht, ,schöner Inhalt, aber leider viele Schreibfeh­ler‘, dann leiden die Kinder massiv“, sagt die Expertin der Ambulanz für Lernstörun­gen der Kinderseel­enhilfe Salzburg. „Wenn die Lehrperson es dagegen schafft, dem Kind zu vermitteln, ich weiß, dass das schwierig für dich ist, aber ich sehe, wie sehr du dich bemühst, dann ist das für solche Kinder, die meist viel mehr üben als andere, eine enorme Motivation.“

Keine Lösung sieht die Psychologi­n darin, „dass manche Eltern zuwarten möchten, bis sich bei ihrem Kind sozusagen ein Zeitfenste­r zum Lesenlerne­n auftut“. Da könnten wertvolle Jahre versäumt werden. Ratsam sei, früh mit einer Therapie zu beginnen. „In den ersten Volksschul­klassen ist der Abstand zu den Mitschüler­innen und Mitschüler­n, der durch die Schwierigk­eiten beim Lesen und Schreiben entsteht, noch nicht so groß. Daher bringt es sehr viel, bereits in diesem Alter mit der Therapie zu beginnen.“

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BILD: SN/S.KOBOLD - STOCK.ADOBE.COM Die Freude, etwas lesen und verstehen zu können, ist für jedes Kind groß.
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