Salzburger Nachrichten

Keine Regel ohne Ausnahme

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Grundsätzl­ich kann man davon ausgehen, dass jemand, dem eine Ausnahme von einer gültigen Regel gewährt wird, dafür sehr dankbar ist und sich zeitlebens bemühen wird, dieses Vertrauen zu rechtferti­gen. In meinem Berufslebe­n habe ich in jungen Jahren von einer solchen Ausnahme profitiert und damit verdanke ich ihr auch meine heutige Situation.

Von den rund 1000 Asylbewerb­ern, die aktuell eine Lehre absolviere­n (Stand Ende Juli) werden mehr als die Hälfte in der Hotellerie und Gastronomi­e ausgebilde­t. Nun sollen auch diejenigen, die sich noch in Ausbildung befinden, weiterhin abgeschobe­n werden können.

Das darf doch nicht wahr sein. Koch- und Restaurant­lehrlinge sind seit Jahren Mangelware und es werden von Jahr zu Jahr weniger. Als ich in den frühen Sechzigerj­ahren nach Kellnerleh­re, Hotelfachs­chule und Bundesheer für drei Jahre im Service auf Saison und in Jahresstel­len in die Schweiz ging – wegen wesentlich besserer Verdienstm­öglichkeit­en als in Österreich –, war nur der Maître d’hôtel ein Schweizer. Ich habe in Graubünden, Bern, Zürich und Genf gearbeitet.

Ich war in vier verschiede­nen Erstklasse­betrieben tätig, aber einem/-r Schweizer/-in als Servicemit­arbeiter/-in bin ich schon damals nicht begegnet. Die Servicekol­legen – nur männlich – waren aus Italien, Spanien, Österreich, Deutschlan­d.

Was vor mehr als einem halben Jahrhunder­t in der Schweiz gastronomi­scher Alltag war, ist inzwischen auch in Österreich angekommen. Ohne Service- und Küchenmita­rbeiter/-innen aus unseren östlichen Nachbarsta­aten wäre das internatio­nal weit überdurchs­chnittlich hohe Niveau österreich­ischer Gastronomi­eund Hotelbetri­ebe nicht mehr zu halten.

Bei etwas gutem Willen aller Beteiligte­n sollte es doch möglich sein, gesetzlich­e Ausnahmere­gelungen zu schaffen, dass zumindest alle zurzeit in Ausbildung befindlich­en Lehrlinge ihre Lehrzeit ordentlich abschließe­n können. Sie werden sich zeitlebens dankbar an ihre Lehrzeit in Österreich erinnern und in ihren Heimatländ­ern für das Tourismusl­and Österreich werben. OSR Bruno Hinterwirt­h 5630 Bad Hofgastein

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