Marokko schießt auf Flüchtlingsboot
Eine Marokkanerin wurde getötet und drei weitere Migranten verletzt, als die marokkanische Küstenwache ihr Schiff auf dem Weg Richtung Europa beschossen hat. Die Küstenwache wird mit Millionenhilfen von der EU unterstützt.
Nach Libyen versucht nun auch Marokko im europäischen Auftrag, die Abfahrt von Flüchtlingsbooten Richtung Südeuropa zu bremsen. Der Kampf gegen jene Menschenschmuggler, welche die Migranten übers Mittelmeer bringen, werde verstärkt, teilte ein Sprecher der marokkanischen Regierung dieser Tage mit. Europa hatte Rabat kurz zuvor neue Millionenhilfen versprochen.
Das härtere Vorgehen Marokkos bekam umgehend ein Schiff zu spüren, das dem Haltebefehl der Küstenwache nicht nachkam: Es wurde mit scharfer Munition beschossen. Dabei wurde eine marokkanische Frau getötete, drei weitere Migranten verletzt. Wie die marokkanischen Behörden weiter mitteilten, wurde der Steuermann des Boots, bei dem es sich um einen Spanier handeln soll, festgenommen.
Marokkos König Mohammed VI. steht seit Wochen unter Druck, weil sein Land neuerdings zum wichtigsten nordafrikanischen Transitland Richtung Europa geworden ist. Immer mehr Menschen aus Staaten südlich der Sahara nutzen Marokko als Sprungbrett, um nach Spanien zu kommen. Aber auch die Zahl der Marokkaner, die ihrem Land den Rücken kehren, steigt.
Viele junge Marokkaner wollen wegen hoher Arbeitslosigkeit, geringer Löhne und mangelnder Freiheiten ihre Heimat verlassen. Seit Tagen geistern Videos durch soziale Netzwerke, in denen junge Marokkaner zu sehen sind, die an der heimischen Küste Boote besteigen. Einer der Filme aus dem Küstenort Martil zeigt, wie nachts Hunderte Jugendliche gegen die Polizei demonstrieren, weil diese Migranten an der Überfahrt hindern will. „Wir wollen legal auswandern können“, rufen die Demonstranten.
Marokkanische Bürgerrechtsgruppen berichten, dass die Polizei die Kontrollen in den Küstenstädten verstärkt. Nach Angaben der Menschenrechtsvereinigung AMDH wurden in den vergangenen Monaten Hunderte schwarzafrikanische Migranten von der Küste in den wüstenartigen Süden gebracht. Marokkos Regierung sprach von 54.000 Menschen, die seit Jahresbeginn daran gehindert worden seien, nach Südeuropa überzusetzen.
Seit diesem Sommer ist Spanien das wichtigste Ziel der Migranten, die über das Mittelmeer kommen. Nach neuesten Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gelangten seit Jahresbeginn 36.000 Menschen mit Booten nach Spanien, 23.000 nach Griechenland und 21.000 nach Italien. 2017 war noch Italien das Hauptziel. Nach der Schließung der italienischen Häfen für Flüchtlingsschiffe sanken die Zahlen drastisch.
Die Europäische Union sagte indes der marokkanischen Regierung neue, großzügige Hilfe zu. Das Land soll damit die Abfahrt von Booten aus Marokko weiter bremsen: Rund 30 Millionen Euro wurden für die Aufrüstung der marokkanischen Küstenwache bereitgestellt. Zudem versprach Brüssel 115 Millionen an zusätzlicher Hilfe für Wirtschaftsund Sozialprogramme. Schon in der Vergangenheit ließ sich Marokko für seine Rolle als wichtigster Stabilitätsanker in Nordafrika gut entlohnen: Von 2014 bis 2017 flossen aus den EU-Kassen rund 800 Millionen Euro an bilateraler Hilfe.