Soll die SPÖ die blaue Karte zücken?
Gerald Forcher ist eine Zukunftshoffnung der Salzburger SPÖ. Er drängt darauf, das Verhältnis zur FPÖ zu normalisieren – und äußert sich erstmals zur Nachfolge von Walter Steidl.
Im Bund hat Pamela Rendi-Wagner die SPÖ übernommen. In Salzburg steht der Umbruch noch bevor. Wie kommt die SPÖ aus ihrem chronischen Tief? Die SN sprachen mit Gewerkschafter und LAbg. Gerald Forcher. SN: Die SPÖ verliert vor allem an die FPÖ Wähler. Tut sie sich deshalb so schwer in ihrer Haltung zur FPÖ? Ich bin seit Kurzem im Landtag und schaue, dass ich zu allen Parteien ein gutes Verhältnis habe. Das sind ja alles demokratisch gewählte Parteien. So habe ich als Europasprecher kürzlich ÖVPAltlandeshauptmann Schausberger um einen Termin gebeten, weil der ja dem Ausschuss der europäischen Regionen vorsteht. Ich verstehe mich auch mit FPÖChefin Marlene Svazek gut und tausche mich regelmäßig mit ihr aus. Aber das gilt für Vertreter aller Parteien, weil mir der Kontakt zu allen wichtig ist. SN: Auch in der Ausländerfrage ringt die SPÖ mit sich. Ich wohne in Lehen, und wenn es dort Bewohner gibt, die uns sagen: „Wir trauen uns am Abend nicht mehr durch den Lehener Park zu gehen, weil dort einiges schiefläuft“, dann dürfen wir das nicht als nichtig abtun. Weil sonst gehen diese Menschen beim nächsten Mal nicht mehr zur SPÖ, sondern zur FPÖ. Und wir sind uns heute alle einig, dass in der Flüchtlingskrise vor drei Jahren Fehler passiert sind. Das muss man sich eingestehen, ohne sozialdemokratische Prinzipien über Bord zu werfen. SN: Ist man intern dann nicht schnell als Rechter punziert, wenn man das sagt? Nein. Parteichef Walter Steidl sagt das auch dezidiert. Bernhard Auinger in der Stadt hat ähnliche Sichtweisen wie ich und hat in Schallmoos zur Bürgerversammlung gerufen, als die Probleme im Lechner-Park offenkundig wurden. Wenn ich diese Probleme ernst nehme, heißt das aber noch lange nicht, dass ich ein Rechter bin und sozialdemokratische Prinzipien aufgebe. SN: Wäre es für die SPÖ nötig, ihr Verhältnis zur FPÖ zu normalisieren? Es gibt viele Gemeinden in Österreich, auch in Salzburg, wo SPÖund FPÖ-Gemeinderäte zusam- menarbeiten. Ich arbeite in der Arbeiterkammer mit den Freiheitlichen Arbeitnehmern gut zusammen. Und das Burgenland ist nicht untergegangen, obwohl es eine SPÖ-FPÖ-Koalition gibt.
In Wahrheit hat die Sozialdemokratie bitter dafür bezahlt, dass sie sich der ÖVP so lange ausgeliefert hat. Weil wir außer der ÖVP keine Option zum Regieren hatten. Mit den Grünen reicht
es nicht, und mit der FPÖ wollen viele nicht freiwillig. Die ÖVP führt uns vor Augen, wie schnell man dann abserviert ist. Im Bund, in Oberösterreich, in Tirol, auch in Salzburg – überall wurden andere Optionen gezogen. SN: Auf diese Analyse gibt es eigentlich nur eine Antwort: Die SPÖ muss die FPÖ-Option aufmachen. Ja. Wir haben auch einen Wertekatalog entwickelt, unter welchen Bedingungen eine Zusammenarbeit mit der FPÖ möglich ist. Und wenn es im Burgenland geht, wird es auch woanders gehen. Zumal wir ja mit der FPÖ durchaus Überschneidungen haben, viele Anträge in der AK, wenn es um die Arbeitswelt geht, beschließen wir gemeinsam. Da zeigt die FPÖ in der Bundesregierung jetzt zwar ein anderes Gesicht, aber das muss ja nicht so bleiben. Ich sage aber dazu, dass mir längst nicht alles schmeckt bei der FPÖ. Wenn ich sehe, dass der Innenminister unangenehme Medien bestrafen will, dann sage ich: Das geht gar nicht. SN: Herr Forcher, Sie gelten als Nachfolgekandidat für SPÖ-Chef Steidl. Wie groß sind Ihre Ambitionen? Es gibt neben mir viele neue Frauen und Männer im SPÖ-Klub. Da sind auch Bernhard Auinger in der Stadt und gute Bürgermeister im Land. Es mangelt also nicht an fähigen Leuten. Walter Steidl hat sich nach dem Finanzskandal einen Riesenrucksack umgehängt. Das hätte sich sonst niemand angetan. Wir landeten bei 20 Prozent – das ist zu wenig, aber wir haben fünf Jahre Zeit, um Schlagkraft zu entwickeln. Wer dann in den Ring steigt, wird sich weisen. SN: Sie wären bereit dazu? Ich sage nicht, ich wäre bereit. Ich sage aber auch nicht, ich würde das sicher nicht machen. Es kommt darauf an, ob wir die Salzburger SPÖ dorthin bringen, dass wir wieder echte Chancen haben. Die Modernisierung steht auf Walter Steidls Agenda. Wir müssen auch schauen, ob wir noch die richtigen Strukturen haben. SN: Ist mehr innerparteiliche Demokratie nötig? Ja, die Partei muss offener werden. Es braucht neue Mitsprachemöglichkeiten. Und wir müssen Zielgruppen ansprechen, die wir derzeit sehr schwer erreichen. SN: Möglicherweise verliert die SPÖ im Frühjahr aber auch noch die Stadt. Bernhard Auinger setzt auf die richtigen Themen, er steht mit seinem Team für ein modernes, dynamisches Salzburg. Ich bin sicher, dass er intakte Chancen hat, Bürgermeister zu werden. SN: Warum gelingt beim brisanten Wohnungsthema keine stärkere Mobilisierung? Nachdem seit vielen Jahren von eigentlich allen plakatiert wird, dass die Wohnungskosten zu hoch seien, muss jetzt etwas geschehen. Da muss man unangenehme Dinge ansprechen. Deshalb schlägt unsere Bgm.-Stv. Anja Hagenauer vor, auch im sozialen Wohnbau höher zu bauen. Darüber muss man nicht nur in Lehen oder Liefering reden, sondern auch in anderen Stadtteilen. 1000 neue Wohnungen im Jahr sind nicht genug, auch weil weiter überteuerte Wohnungen am freien Markt entstehen. Nehmen Sie die Riedenburg: Da kostet eine frei finanzierte Zweizimmerwohnung 1300 Euro Monatsmiete. Im Stadtwerkeareal ist eine Einzimmerwohnung um 740 Euro am Markt – das ist eine Frechheit. SN: Was ist Ihr Schluss daraus? Da machen Wenige viel Geld auf Kosten vieler. Wenn Menschen mehr als die Hälfte des Einkommens fürs Wohnen ausgeben, ist das nicht mehr witzig. Da braucht es energisches Gegensteuern.