May beweist britischen Humor und tanzt
Auf dem Schicksals-Parteitag präsentierte sich die Premierministerin gelöst und selbstbewusst.
Ein bisschen ungelenk sieht es stets aus, wenn die britische Premierministerin das Tanzbein schwingt. Theresa May weiß das. Es wurde ihr zudem nach ihrer letzten Einlage bei einem Besuch in Südafrika durch zahlreiche Kommentare im Internet unsanft mitgeteilt. Gerade deswegen war ihr Auftritt am Mittwoch bemerkenswert. Trotz der mühsamen Diskussion um den Brexit schien May guter Laune zu sein, als sie zum Lied „Dancing Queen“von Abba auf die Bühne des ToryParteitags in Birmingham tanzte – und kämpfte.
LONDON. Als Theresa May zu Abbas „Dancing Queen“auf die Bühne tänzelte, kam unter den konservativen Delegierten Applaus auf. Eine Tanzkarriere dürfte für die britische Premierministerin zwar auch nach dem gestrigen Auftritt ausgeschlossen bleiben. Aber weil sie kürzlich für ihre ungelenken Bewegungen während einer Afrika-Reise verspottet wurde, schwang sie nun, zum Abschluss des Parteitags der Tories, noch einmal roboterhaft die Hüfte. Um mit Selbstironie die Nervosität abzuschütteln?
Nach einer in einem Hustenanfall untergegangenen Ansprache im vergangenen Jahr und desaströsen Monaten, in denen die zäh verlaufenden Brexit-Verhandlungen für bitteren Streit in der Partei sorgen, kämpft die Regierungschefin um ihr politisches Überleben. Sie musste also liefern – und sie lieferte.
Vor den Delegierten rief die Premierministerin in einer kämpferischen und selbstbewussten Rede zu Geschlossenheit auf. „Wenn wir zusammenhalten und die Nerven bewahren, können wir ein zufriedenstellendes Abkommen für Großbritannien erreichen“, sagte sie und verteidigte ihren Austrittskurs, an dem sie trotz vehementer Kritik von allen Seiten festhält. Die Tories sind tief gespalten und suchen einen Ausweg aus der verfahrenen BrexitLage. Etliche Parteimitglieder fordern den Sturz der Regierungschefin und erst kurz vor dem Start der Ansprache ging ein weiterer Misstrauensantrag von einem Abgeordneten beim Parteikomitee ein. Medien sprachen von einem „Bürgerkrieg“während des viertägigen Treffens in Birmingham und dem „Endspiel“der Premierministerin. Dieses dürfte sie aber erst einmal gewonnen haben.
Theresa May ging nicht nur mit der oppositionellen Labour-Partei hart ins Gericht, deren Chef Jeremy Corbyn sie immer wieder attackierte. Auch ihre parteiinternen Widersacher wies sie überraschend scharf zurück. Wer jegliche Vereinbarung mit der EU ablehne, habe nur seine eigenen politischen Interessen im Blick, „nicht aber unser Land“, so attackierte May den ExAußenminister und lautstarken Brexit-Wortführer Boris Johnson, ohne ihn beim Namen zu nennen. Auch ein erneutes Referendum schloss sie aus. Vielmehr warb sie um Unterstützung für ihren Weg aus der Gemeinschaft. „Wenn wir alle im Streben nach dem perfekten Brexit in verschiedene Richtungen gehen, riskieren wir, am Ende ganz ohne Brexit dazustehen“, warnte May.
Die Hardliner in der Partei fordern noch weniger Zugeständnisse an die EU und einen härteren Bruch mit Brüssel, als May mit ihrem sogenannten Chequers-Vorschlag anpeilt. Demnach wünscht London eine Freihandelszone für Güter, aber nicht für Dienstleistungen. Auch der freie Personenverkehr wird abgelehnt. Halb drin, halb draußen – für die EU-Skeptiker „gefährlich und inakzeptabel“und ein „Betrug“am Volk, wie es Johnson am Dienstag unter dem Jubel von 1500 Parteikollegen nannte. Der schärfste Rivale Mays hatte offenbar immer Ambitionen auf den Posten des Premiers, hat sich aber bislang nicht aus der Deckung gewagt.
Weil das Wort Chequers mittlerweile als toxisch gilt, benutzte es May nicht. Stattdessen taufte sie ihren Vorschlag kurzerhand um in die etwas komplizierte Bezeichnung eines „freien Handelsdeals, der reibungslosen Handel mit Gütern bietet“. Brüssel lehnt dies als Rosinenpickerei ab und fordert Nachbesserungen. May wiederum betonte: „Es wird keinen Brexit-Deal um jeden Preis geben.“Großbritannien habe keine Angst, die EU zur Not auch ohne jedes Abkommen zu verlassen. Die neue „Dancing Queen“der Tories präsentierte sich gelöst und wollte Zuversicht ausstrahlen. „Die besten Tage liegen vor uns“, sagte sie. Es bleibt die Frage, ob das auch für die Premierministerin gilt. Der gestrige Tag zumindest dürfte Theresa May Hoffnung machen.
„Die besten Tagen liegen vor uns.“