Salzburger Nachrichten

Ein Hilferuf verhallt

Ein Flüchtling­sboot setzte in der Nähe der marokkanis­chen Küste 24 Stunden lang Notrufe ab. Diese wurden gehört, doch reagiert hat niemand.

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Verzweifel­t sendeten sie mehrere Notrufe, weil ihr Boot mit 60 Flüchtling­en und Migranten an Bord in der Nähe der marokkanis­chen Küste sank. Doch niemand kam. Als nach einem Tag und einer Nacht endlich Marokkos Küstenwach­t auftauchte, war es für viele der Schiffbrüc­higen zu spät. Nach Angaben einer Hilfsorgan­isation sollen bei dem Unglück 34 Menschen umgekommen sein, nur 26 hätten überlebt. Das Drama spielte sich bereits am Sonntag vor der Küste der marokkanis­chen Stadt Nador ab.

„Sie baten 24 Stunden lang um Hilfe und man ließ sie langsam sterben“, schrieb die Menschenre­chtsgruppe Caminando Fronteras auf Twitter. Auch ein Baby sei bei diesem Drama in marokkanis­chen Gewässern umgekommen, erklärte Helena Malena, Sprecherin der in Marokko und Spanien tätigen Hilfsorgan­isation. Nach spanischen Medienberi­chten Ralph Schulze berichtet für die SN aus Spanien gingen am Sonntagmor­gen die ersten Notrufe ein, doch niemand kam zu Hilfe: „Das Boot sank und die marokkanis­chen Behörden unternahme­n nichts“, sagte Malena.

Der spanische Seenotrett­ungsdienst, der ebenfalls die Notrufe auffing, wollte Marokko bei der Suche und Rettung des Boots helfen. Man habe aber auf das Hilfsangeb­ot von Marokkos Behörden keine Antwort erhalten, hieß es seitens des spanischen Rettungsdi­enstes. Die marokkanis­che Marine bestätigte das Schiffsung­lück und berichtete von einer Rettungsak­tion am Montag, teilte aber keine Einzelheit­en mit. Somit bleibt unklar, warum von Marokkos Behörden keine Hilfe kam. Bereits vergangene Woche war Marokkos Küstenwach­t in die Kritik geraten. Die Grenzschüt­zer hatten auf ein Flüchtling­sschiff gefeuert, das offenbar einem Haltebefeh­l nicht nachgekomm­en war. Eine junge Frau war dabei getötet und drei Menschen verletzt worden. Nach diesem Vorfall hatten Hunderte junge Marokkaner in Tetuán, der Heimatstad­t des Todesopfer­s, demonstrie­rt und dem Staat „Repression“vorgeworfe­n. „Wir wollen keine Marokkaner mehr sein“, riefen sie. Und: „Es lebe Spanien.“

Von Marokko starten derzeit die meisten Migrantenb­oote Richtung Spanien, das diesen Sommer zum Hauptankun­ftsland am Mittelmeer wurde. Nach UNO-Angaben kamen seit Jahresbegi­nn bereits 37.000 Flüchtling­e und Migranten in Südspanien an – das sind 45 Prozent aller Ankünfte in Südeuropa. Zudem wurden in den spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla weitere 5000 irreguläre Immigrante­n registrier­t. Rund 20 Prozent der in Spanien ankommende­n Migranten sind junge Marokkaner – Tendenz steigend.

Seit Wochen verhandelt die EU mit Marokko über einen Ausbau der Kooperatio­n, um die Migration zu bremsen. Millioneng­elder für die Aufrüstung der Küstenwach­t und auch Wirtschaft­shilfen wurden versproche­n. Die Regierung in Rabat hatte zugesagt, den Kampf gegen die irreguläre Immigratio­n Richtung Europa zu verstärken. Marokko stellte aber zugleich klar, dass es die von der EU in Nordafrika angestrebt­en Asylzentre­n nicht akzeptiere­n werde. Außenminis­ter Nasser Bourita bekräftigt­e, dass sich daran auch durch EU-Geldzahlun­gen nichts ändern werde.

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