Die CSU fleht um Hilfe von oben
Am 14. Oktober wählen die Bayern. Die CSU kämpft verbissen gegen die AfD und den Verlust der Absoluten. Im Zentrum des Wahlkampfs steht einer, der seit 30 Jahren tot ist: Franz Josef Strauß.
„Franz Josef Strauß würde die AfD wählen.“Dieser Satz auf einem Wahlplakat der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) vor einem Jahr zur Bundestagswahl war und ist ein Schlag ins Gesicht für die CSU. Es ist jener Satz, der sich beim bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) eingebrannt hat. So sehr, dass es ihn Monate später noch zur Weißglut bringt. Und mit ihm die Christlich-Soziale Union im weiß-blau geprägten Nachbarbundesland.
Seit 2013 hat die CSU die Absolute in Bayern wieder inne, die bis 2008 garantiert und nur kurz verloren gegangen war. Und nun schickt sich ausgerechnet eine neue populistische Partei an, den Übervater für sich zu vereinnahmen. Das lässt sich die CSU nicht gefallen. Es grenzt nicht nur an Majestätsbeleidigung. Es ist eine.
Franz Josef Strauß – das ist die bayerische CSUIkone schlechthin. Er führte die Partei von 1961 bis 1988, gehörte der Bundesregierung an, war zehn Jahre lang Ministerpräsident im Freistaat. Der Schöpfer, der Übervater, ja sogar Bayer des Jahrhunderts – so nennen sie ihn heute, 30 Jahre nach seinem Tod. Der Heldenverehrung kann man auf den Grund gehen, wenn man nach Rott am Inn fährt. 100 Kilometer von Salzburg entfernt in der 4000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Rosenheim liegt „FJS“in der StraußGruft begraben. Seinen 30. Todestag nahm die CSU am Mittwoch zum Anlass, seiner zu gedenken. Und ein bisschen auch, um zu beten und zu fragen, was Strauß in dieser Situation getan hätte.
„Franz Josef Strauß hätte die AfD nicht gewählt, er hätte sie bekämpft.“Es dauerte am Mittwoch in Rott am Inn genau eine Minute, nachdem Söder aus dem Dienstauto gestiegen war und sich den Kragen seiner Jacke zurechtgerückt hatte, bis er diesen Satz sagte. Er klang einstudiert. Söder und Strauß, das ist eine spezielle Geschichte. Er habe ihn „cool“gefunden, damals, 1983, als beim 16-jährigen Markus noch ein Poster von ihm im Zimmer gehangen sei. Umso mehr habe er sich über die AfD-Plakate geärgert, sagt Söder. Politische Gegner müsse man stellen. „Strauß ist unser Kompass und bleibt das Maß aller Dinge.“
Dass Söder vom Kampf gegen die AfD mittlerweile besessen ist, klang auch bei der Rede zur Kranzniederlegung vor der Strauß-Gruft durch. Der Ministerpräsident verkniff es sich zumindest, die AfD namentlich zu erwähnen. Stattdessen sagte er: „Franz Josef Strauß würde sie bekämpfen, diese Extremisten von heute. Diesen Auftrag müssen wir ernst nehmen.“Wer gemeint war, wussten die Hunderten Zuhörer ohnehin.
Minuten vor Söder kam Horst Seehofer mit Blaulicht am Dienstwagen bei der Kirche in Rott am Inn an. Auch der Parteivorsitzende und Bundesinnenminister huldigt FJS. Es sei eine Selbstverständlichkeit, der Gedenkveranstaltung beizuwohnen. „Er war und ist mein Vorbild. Der Mythos Strauß ist lebendig wie eh und je. Wir verneigen uns vor ihm.“Was Strauß in rauer See getan hätte? „Er hätte eine starke Führung und klare Position eingenommen. Er hätte sich nicht in der Mitte durchgeschlängelt.“Über Franz Josef Strauß spricht Seehofer gern, über aktuelle Umfragen, die auch sein politisches Schicksal besiegeln könnten, eher weniger. „Gehen Sie mal davon aus, dass die Landtagswahl gut ausgeht.“
Doch davon kann die CSU nicht ausgehen. Egal welche Umfragen man heranzieht, den Christlich-Sozialen werden Verluste im zweistelligen Prozentbereich prognostiziert. Zwischen 34 und 36 Prozent sehen sie Meinungsforscher. Für bayerische Verhältnisse ist das unterirdisch. Da hilft weder Franz Josef Strauß noch beten. Die AfD fischt die Wähler am rechten Rand weg. Das wissen auch jene, die in die volle Rokoko-Kirche am Mittwoch zum Gedenkgottesdienst für Franz Josef Strauß gekommen sind. Es sind teils ältere Einwohner, die die CSU-Ikone noch selbst erlebt haben und ihm nachtrauern. „Jo mei, ma kann ja nur CSU in Bayern wählen“, sagt einer. Ob Franz Josef Strauß den Markus Söder gewählt hätte? Darauf will der rund 80-Jährige nicht sofort antworten. „Er bemüht sich eh, der Söder. Aber leicht hat er’s nicht.“
Dass Strauß allgegenwärtig ist und die CSU die Hilfe von oben bitter nötig hat, weiß auch der Pfarrer aus Rott am Inn. Daher stellt auch er die Frage, was Strauß anstelle von Söder und Seehofer tun würde. „Er hat die Zeichen der Zeit erkannt. Er hat auch in turbulenten Zeiten Standhaftigkeit bewiesen. Und er verhielt sich nicht wie ein flatternder Hühnerhaufen, der am Ende doch gefressen wird.“Einen Franz Josef Strauß – sprach der Pfarrer der ersten Reihe ins Gewissen – könne und dürfe man nicht kopieren. „Aber man kann sich manche seiner Maximen zu eigen machen, und mit Argumenten die rechten und linken Sümpfe trockenlegen.“Wer Bayern regiere, dem habe der Herrgott ohnehin viele Talente anvertraut, meint der Geistliche.
Neben der politischen Prominenz (auch ExCSU-Chef Edmund Stoiber und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann waren da) waren die Witwe von Ex-Kanzler Helmut Kohl und die Familie gekommen. Strauß’ drei Kinder Max, Monika und Franz Georg. „Mein Vater hätt’ garantiert nicht die AfD gewählt, eine Partei der Herzlosigkeit. Wissen S’, wir sind Christen“, sagt sein ältester Sohn Max nach der Kranzniederlegung auf dem Weg ins Gasthaus im SN-Gespräch. Das Thema Migration aber lässt auch den ältesten Sohn der CSU-Legende nicht los. Drei Milliarden Menschen, so sagt Max Strauß, würden bis 2060 Richtung Mittelmeer wandern. „Das wird uns heimsuchen. Das müssen wir lösen. Das heißt schon auch zusperren, aber eben nicht nur. Ich schätze, mein Vater hätte so ähnlich gedacht wie ich.“Wie die bayerische Landtagswahl ausgeht? „Die CSU wird deutlich ablegen“, meint Strauß’ ältester Sohn. Zu viel Bequemlichkeit habe die Partei an den Tag gelegt in Berlin. „Nur zu sagen, dass wir guad sind, reicht eben nicht.“
Strauß’ Tochter Monika ist EU-Abgeordnete. Sie hat beim CSU-Empfang im Landgasthof neben der Kirche in Rott wahlkämpfende Worte parat. Der wichtigste Sieg ihres Vaters, so habe er ihr damals erzählt, sei 1986 gewesen, als es „kein Rechtsradikaler in dieses bayerische Parlament“geschafft habe. Und schon wieder ist die AfD allgegenwärtig in diesem CSU-Wahlkampf. Was Strauß heute tun würde, wo die Partei zehn Tage vor der Wahl gegen drohende Riesenverluste ankämpft? „Er hätte nie vor Sonntagmorgen aufgehört, um die Menschen zu ringen. Er hat an die Kraft der Argumente geglaubt, nicht an Angstmacherei.“Söder hört das im Saal. Seehofer ist zu diesem Zeitpunkt schon weg.