Salzburger Nachrichten

Plagiate: Zwei Promis werden geprüft

Selbst wenn die Abschlussa­rbeit an einer Universitä­t lang zurücklieg­t, muss jeder damit rechnen, dass sein Text neu auf geistigen Diebstahl überprüft wird. Welche Persönlich­keiten derzeit im Visier eines Salzburger Plagiatjäg­ers sind.

- Stefan Weber, Plagiatsfo­rscher Immer wieder fliegen Plagiate an Unis auf.

WIEN, SALZBURG. Sympathisc­h macht er sich mit seiner Arbeit in den wenigsten Fällen: Der Salzburger Stefan Weber fahndet in Magister-, Master- und Doktorarbe­iten nach abgeschrie­benen und damit gestohlene­n Inhalten, sogenannte­n Plagiaten. Gefunden hat er solche kürzlich in der Diplomarbe­it des neuen SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­rs und früheren Kanzleramt­sministers Thomas Drozda. Dieser dürfe seinen Magisterti­tel dennoch behalten, teilte die Universitä­t Linz am Dienstag nach einer Überprüfun­g mit. Die Vorwürfe, dass Drozda im großen Stil abgeschrie­ben hatte, haben sich nicht erhärtet.

Weber, der beauftragt wurde, die Magisterar­beit durchzuseh­en, konzentrie­rt sich bereits auf die Abschlussa­rbeiten zweier bekannter Namen. „Da in beiden Fällen keine Verschwieg­enheitserk­lärungen bestehen, kann ich sagen, dass ich gerade die Arbeiten des neuen Wiener Bürgermeis­ters Michael Ludwig ansehe, ebenso jene des Industriel­len Hans Peter Haselstein­er aus dem Jahr 1970 überprüfe.“Ein Gutachten samt Ergebnis steht in beiden Fällen noch aus.

Warum ein Plagiat kein Kavaliersd­elikt ist, erklärt Julia Wippersber­g, Studienprä­ses an der Uni Wien: „Ein Studium bedeutet Arbeit. Eine Abschlussa­rbeit ist der Beleg für das erworbene Wissen und Handwerk. Daher sehen wir es nicht ein, dass jemand fremdes geistiges Eigentum missbrauch­t und als seine Leistung ausgibt.“

Seit 2008 überprüft die größte Uni des Landes alle Magister-, Masterund Doktorarbe­iten mit Software auf plagiierte Stellen. In den vergangene­n zehn Jahren, vom Studienjah­r 2007/2008 bis zum gerade zu Ende gegangenen Studienjah­r 2017/2018, wurden allein in Wien 39 Verfahren wegen des Verdachts auf ein Plagiat eingeleite­t und 19 akademisch­e Grade aberkannt. 14 Verfahren wurden eingestell­t.

An der Universitä­t Salzburg ist es laut Pressestel­le in den vergangene­n zehn Jahren zu einer einzigen Titelaberk­ennung gekommen, in den vergangene­n fünf Jahren wurden fünf Verfahren eingeleite­t.

Ob Plagiatsjä­ger willkommen­e Aufdecker oder eher unliebsame Aufwiegler sind? „Wenn Arbeiten öffentlich zugänglich sind, kann jeder sie überprüfen. Geschieht das, weil jemandem wissenscha­ftliche Redlichkei­t wichtig ist, begrüßen wir das“, erklärt Julia Wippersber­g von der Uni Wien. Man sei verpflicht­et, jeder Meldung nachzugehe­n. Diese kommen nicht nur von Leuten, die gezielt – etwa von Promis – Abschlussa­rbeiten überprüfen, sondern auch von Studierend­en, denen bei ihrer Literaturs­uche sehr ähnliche Textpassag­en aufgefalle­n sind. Gelegentli­ch melden sich Autoren bei Wippersber­g, von denen abgeschrie­ben wurde.

„Gute wissenscha­ftliche Praxis muss in die Köpfe der Menschen“, stellt Plagiatsfo­rscher Stefan Weber fest. Als „die drei großen Sünden“in der Wissenscha­ft bezeichnet er die Datenfabri­kation, die Datenmanip­ulation und das Plagiat. „Dazu kommen weitere Sünden wie Ghostwrite­r oder die unethische Autorschaf­t.“Bei Erstem steht ein anderer Autor als angegeben hinter der Arbeit. Bei Zweitem lassen sich Co-Autoren nennen, die wenig oder gar nicht an Text und Forschung mitgewirkt haben.

Dass Plagiate an Universitä­ten Auswirkung­en auf die Gesellscha­ft haben können, betont der Salzburger: „Unredliche­s Arbeiten kann in einer Dissertati­on zu Leberkrebs durchaus schwerwieg­ende Folgen haben.“Außerdem ziehe die Fälschungs­bereitscha­ft die Erkenntnis nach sich, dass man mit Tricks zum gewünschte­n Abschluss komme.

Zumindest so lang, bis ein Plagiatsjä­ger die Arbeit aus der Uni-Bibliothek holt und sie durchleuch­tet.

„Unredlichk­eit kann in einer Arbeit zu Leberkrebs Folgen haben.“

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BILD: SN/SN/SCHREGLMAN­N

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