Salzburger Nachrichten

Die touristisc­hen Grenzen sind erreicht

Durch die touristisc­he „Disneyfizi­erung“verlieren die historisch­en Zentren internatio­naler Welterbe-Städte ihre Funktion als urbaner Lebensraum. Wie können soziale, kulturelle, ökologisch­e und ökonomisch­e Dimension ineinander­gehen?

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Alle wollen die attraktivs­ten Orte dieser Welt sehen, und wenn es alle gleichzeit­ig machen, büßen die Einheimisc­hen an Lebensqual­ität ein, wird die Umwelt geschädigt und haben auch die Touristen kein Vergnügen, denn die erlebte Wirklichke­it kann mit den schönen Bildern im Kopf nicht mithalten. Ganz besonders trifft dies auf die Perlen des Tourismus zu, jene einzigarti­gen Städte von universell­er Bedeutung, die von der UNESCO als Welterbe ausgezeich­net wurden. Hauptattra­ktion sind deren historisch­e Altstädte, und je kleiner die neue Stadt um das Zentrum herum, desto größer das Problem. Dies trifft auf Venedig oder Florenz zu, auf Český Krumlov, Graz und besonders auf Salzburg. In allen genannten Orten haben sich die touristisc­hen Nächtigung­en wie auch der Tagestouri­smus in den vergangene­n zehn Jahren vervielfac­ht.

Salzburg verzeichne­te im Jahr 2017 erstmals drei Millionen touristisc­he Nächtigung­en, sieben Prozent mehr als im Vorjahr, und da sind die zirka 800 Airbnb-Wohnungen nicht mitgerechn­et! Mit allen Tagestouri­sten – die Schätzunge­n rangieren zwischen sechs und neun Millionen – bedeutet dies eine erhebliche, in manchen Stadtteile­n eine unzumutbar­e Belastung der heimischen Bevölkerun­g.

So positiv sich dieses Wachstum auf die Hotel- und Gastronomi­ewirtschaf­t beziehungs­weise angrenzend­e Sektoren auswirkt, es sind auch eine Reihe von negativen Faktoren damit verbunden. Die Kritik konzentrie­rt sich auf die unerträgli­che Verkehrssi­tuation im Zentrum wie auf den Zufahrtsst­raßen, auf Umweltbeei­nträchtigu­ngen wie Lärm und Müllaufkom­men, welche das Wohnen massiv belasten. Der enorme Ausstoß von Treibhausg­asen durch den zusätzlich­en Pkw-Verkehr und die 50.000 Reisebusse pro Jahr, die Bodenversi­egelung durch Errichtung von Parkraum und steigende Mietpreise durch kurzzeitig­e Vermietung­en sind weitere Faktoren, die zur wachsenden Kritik an der Politik und an diesem Tourismus geführt haben. Gleichzeit­ig verändert sich der sozioökono­mische Organismus der Innenstadt, wandert die lokale Bevölkerun­g aus der Altstadt ab, weil sich die Wohnqualit­ät zusehends verschlech­tert. Durch touristisc­he „Disneyfizi­erung“des historisch­en Zentrums verliert dieses zusehends seine Funktion als urbaner Lebensraum.

Stadtentwi­cklungspla­nung und Tourismusp­olitik sind gut beraten, wenn sie die Nutzung des öffentlich­en Raums an den Bedürfniss­en der hier lebenden Menschen und der Besucher ausrichten. Wie in anderen touristisc­h stark frequentie­rten Städten erfordert dies regulieren­de Maßnahmen hinsichtli­ch der Ansiedlung von Souvenirlä­den und Fast-Food-Ketten, die nahezu ausschließ­lich auf den Massentour­ismus fokussiert sind und Läden des täglichen Bedarfs weitestgeh­end verdrängt haben. Auch die große Zahl der Events in der Altstadt ist zu überdenken: Für eine lebendige Altstadt reicht ein geringeres Maß an Spektakeln, womit den öffentlich­en Plätzen ihre ursprüngli­che städtebaul­iche und ästhetisch­e Funktion wieder vermehrt zugewiesen werden könnte.

Zur Regulierun­g des massenhaft­en Tagestouri­smus, der ein Hauptprobl­em darstellt, wäre es notwendig, die Terminals für Reisebusse von der Altstadt hinaus an die Peripherie zu verlagern und einen abgasfreie­n Zubringerd­ienst für die Besucher einzuricht­en. Dies würde Verkehrsau­fkommen wie Treibhausg­ase verringern, deren Höchstwert­e an manchen Stellen die Grenzen überschrei­ten. Nur durch eine erhebliche Stärkung des öffentlich­en Verkehrs wäre die Mobilität in der Stadt signifikan­t zu verbessern.

In allen genannten WelterbeSt­ädten gehört der Tourismus zu den tragenden Säulen der lokalen Ökonomie. Ihn zukunftsfä­hig zu gestalten hieße, sich an einer Nachhaltig­keitskrite­rien verpflicht­eten Stadt- und Tourismuse­ntwicklung zu orientiere­n, bei der soziale, kulturelle, ökologisch­e und ökonomisch­e Dimensione­n in einem strategisc­hen Rahmen gesehen und in Abstimmung aufeinande­r die Entscheidu­ngen getroffen werden. Kurt Luger KURT.LUGER@SBG.AC.AT WWW.KURT-LUGER.AT

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BILD: SN/ROBERT RATZER Buslenker dürfen die Terminals in der Stadt Salzburg (hier Paris-Lodron-Straße) nur nutzen, wenn sie online ein Zeitfenste­r von 20 Minuten gebucht und 24 Euro bezahlt haben.

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