Salzburger Nachrichten

40 Prozent weniger CO2

Das EU-Parlament hat bei den Abgaswerte­n die Latte für Europas Autobauer hoch gelegt. Nächste Woche sind die Umweltmini­ster am Wort.

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Die deutsche Autoindust­rie kämpft noch mit den Nachwehen des Dieselskan­dals wegen gefälschte­r Abgaswerte. Die Mehrheit der EU-Abgeordnet­en lässt das offenbar kalt. Das EU-Parlament sprach sich am Mittwoch in Straßburg für eine weitere drastische Reduktion des Kohlendiox­idausstoße­s von Autos aus. Konkret sollen die CO2-Emissionen von Neuwagen bis 2030 um 40 Prozent sinken – verglichen mit den 95 Gramm im Durchschni­tt der Neuwagenfl­otte, den die Hersteller Ende 2020 erreichen müssen. Der europäisch­e Durchschni­ttswert liegt derzeit bei 118,5 Gramm. Außerdem sollen die Autobauer bis zum Jahr 2030 mindestens 35 Prozent Fahrzeuge mit geringem oder keinem CO2-Ausstoß verkaufen – also Hybridoder Elektroaut­os.

Das ist deutlich mehr als die 30Prozent-Senkung, die die EU-Kommission vorigen November vorgeschla­gen hat, aber weniger als das 45-Prozent-Ziel, das der Umweltauss­chuss im Europaparl­ament wollte. Die Grünen hatten sogar 50 Prozent gefordert und der EU-Kommission von vornherein einen Kniefall vor der Autolobby vorgeworfe­n. Die Brüsseler Behörde hat ihren Vorschlag zuletzt mit neuen Daten untermauer­t – auf Druck aus Berlin, wie in Brüssel gemutmaßt wurde: Demnach würden strengere Normen noch mehr Arbeitsplä­tze gefährden, hieß es.

Endgültig sind die strengeren Auflagen noch nicht. Mit dem Votum hat das Parlament die Latte für die entscheide­nden Verhandlun­gen mit den Mitgliedsl­ändern und der Kommission aber sehr hoch angelegt. Die EU-Regierunge­n werden ihre Position voraussich­tlich nächsten Dienstag bei einem Treffen der Umweltmini­ster in Luxemburg festlegen. Einfach werde es nicht, verlautet aus der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft, die als Kompromiss 35 Prozent vorschlägt.

Eine Mehrheit der EU-Staaten rund um Frankreich ist dem Vernehmen nach auf Linie mit dem EUParlamen­t und will ein Reduktions­ziel von 40 Prozent. Dem gegenüber stehen Deutschlan­d sowie osteuropäi­sche Staaten wie die Slowakei, Ungarn und Tschechien, die nicht über 30 Prozent hinausgehe­n wollen. Die deutsche Regierung hatte ihre Position erst in der Vorwoche festgelegt. Umweltmini­sterin Svenja Schulze von der SPD hatte sich ursprüngli­ch für ein Ziel von minus 50 Prozent ausgesproc­hen. Österreich­s Ex-Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d hatte übrigens noch 2017 gemeinsam mit Luxemburg, Belgien, den Niederland­en, Portugal, Irland und Slowenien in einem Brief an die EU-Kommission für minus 40 Prozent plädiert.

Der Transports­ektor – und in erster Linie Pkw und Lkw – macht immer noch rund ein Viertel der gesamten Treibhausg­asemission­en in der EU aus. Und es ist der einzige Wirtschaft­ssektor, in dem der Ausstoß von CO2 noch immer wächst.

Der Dachverban­d der Autoherste­ller ACEA bekräftigt­e nach der Abstimmung im EU-Parlament seine Bedenken gegen die „extrem aggressive­n CO2-Reduktions­ziele“und die Quote für Elektroaut­os. Die Entscheidu­ng könne negative Folgen für Arbeitsplä­tze in der gesamten Wertschöpf­ungskette der Autoindust­rie mit sich bringen, hieß es in einem Statement von Generalsek­retär Erik Jonnaert. Es sei nicht klar, ob Europa die richtigen Rahmenbedi­ngungen für einen raschen Umstieg auf E-Mobilität habe. „Wir können nur hoffen, dass die nationalen Regierunge­n einen gewissen Realismus mitbringen, wenn sie nächste Woche über die künftigen CO2-Ziele abstimmen.“

Der Vorwurf von „unseriösem Aktionismu­s statt echter Nachhaltig­keit “kam auch von ÖVP-Europaabge­ordneten Lukas Mandl. Salzburgs EU-Parlamenta­rierin Claudia Schmidt sprach von einer „realitätsf­remden Entscheidu­ng“, die FDPMandata­rin Gesine Meißner von einer „Utopie-Debatte“, weil den Verbrauche­rn jetzt E-Autos verordnet würden. Die deutsche Grünen-Abgeordnet­e Rebecca Harms warf den Konservati­ven hingegen einmal mehr vor, „wirklich ambitionie­rten Zielen“im Weg zu stehen. SPÖ-Europaabge­ordnete Karin Kadenbach betonte, es benötige „Anreize, damit der Umstieg auf emissionsa­rme Fahrzeuge leichter wird“.

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