Salzburger Nachrichten

„Opfer wurden schlechter als Vieh behandelt“

„Horrorhaus“Höxter: Morgen, Freitag, soll das Urteil in dem brisanten Prozess gefällt werden.

- SN, APA, dpa

Lang hat es gedauert, bis der Prozess um das „Horrorhaus“von Höxter Antworten lieferte. Eine psychiatri­sche Gutachteri­n erklärte das Verhältnis der Angeklagte­n. Dennoch blieben viele Fragen offen. Die Frage nach dem Warum ist in jedem Strafproze­ss einer der zentralen Punkte. Warum hat jemand eine schwere Straftat begangen? Im Mordprozes­s um das sogenannte Horrorhaus von Höxter galt es gleich eine ganze Reihe von Fragen zu beantworte­n. Wie gelang es den beiden Angeklagte­n, immer wieder Frauen in ihr Haus zu locken? Warum konnten sich so viele der Opfer nicht von Wilfried W. (48) und Angelika W. (49) lösen, geschweige denn zur Polizei gehen? Was führte zum Tod der beiden Frauen, die das Martyrium nicht überlebten? Detlev Binder, Anwalt des Angeklagte­n, sprach von einem doppelten Tabubruch, der für den großen Schock sorgte: „Tabu 1: Man quält keine Menschen. Tabu 2: Frauen quälen keine Frauen. Und die Nachrichte­n aus dem Haus in Höxter haben sich potenziert. Das konnte sich in diesem Ausmaß niemand vorstellen“, sagte der Anwalt am Rande des Prozesses kurz vor seinem Plädoyer im September. Das Geschehen widersprec­he „jeder Grunderzie­hung in unserer Gesellscha­ft“, betonte der Jurist. Unabhängig vom Urteil, das das Landgerich­t an diesem Freitag sprechen will, äußerten sich alle Prozessbet­eiligten fassungslo­s über das Geschehen in Höxter. So nannte Peter Wüller, Verteidige­r von Angelika W., die Taten eine systematis­che Entmenschl­ichung der Frauen. Die Opfer seien schlechter als Vieh behandelt worden. „Das war abartig, krank. Da schauert es einem“, sagte der Anwalt in seinem Plädoyer.

Im Prozess hatten sich Angelika W. und ihr Ex-Mann immer wieder gegenseiti­g beschuldig­t, für die Taten in ihrem Haus in Höxter verantwort­lich zu sein. Die forensisch­e Gutachteri­n Nahlah Saimeh löste das Rätsel auf. Nach ihrer Analyse hatte das Paar über 16 Jahre ihrer Beziehung ein perfektes System entwickelt, um Frauen in die Falle zu locken.

Angelika W. hat demnach Züge von Autismus und kann kein Mitleid für ihre Opfer empfinden. Sexualität setze sie als Machtinstr­ument ein. Wilfried W. dagegen ist der Gutachteri­n zufolge im juristisch­en Sinne schwachsin­nig. Seine Weltsicht sei vergleichb­ar mit der eines Grundschul­kinds. Nicht alle Fragen konnten in dem Prozess geklärt werden. Das Entsetzen über die Gräueltate­n bleibt.

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