„Traum von der U-Bahn zurückstellen“
150 Millionen Euro für wenige Hundert Meter U-Bahn stünden in keinem Verhältnis zu sechs konkreten Verbesserungen, die viel schneller und sogar günstiger zu realisieren wären. Das sagt einer, der es wissen muss – und vor den Folgen des Verkehrsnotstandes
SALZBURG-STADT. Arno Gasteiger war nicht nur Vorstandschef der Salzburg AG, er war zuvor ÖVPLandeshauptmannstellvertreter, Finanz- sowie Verkehrsreferent und für die Umsetzung der SBahn von Golling bis Freilassing verantwortlich, die als letzter Markstein Salzburger Verkehrspolitik gilt. Das ist 20 Jahre her.
SN: Die Obus-Debatte zeigt exemplarisch, dass der öffentliche Verkehr in der Krise steckt. Muss die Politik in Stadt und Land eine offensivere Rolle übernehmen? Die Verkehrsprobleme im Zentralraum haben ein Ausmaß erreicht, das einem Notstand gleicht. Und natürlich ist es Aufgabe der öffentlichen Hände, diese Probleme zu lösen. Das kann nicht die Salzburg AG stemmen. Dass der Verkehr mittlerweile eine zentrale Frage für die Lebensqualität im gesamten Zentralraum ist, wird leider noch immer nicht genug gesehen. Dabei geht es um knapp 350.000 Menschen. Für die braucht es Lösungen. Und dafür braucht es Geld.
SN: Sollten Stadt und Land die Dividendeneinnahmen von der Salzburg AG zur Gänze in den öffentlichen Verkehr stecken? Wenn es Anforderungen an zusätzliche Öffi-Wege und -Netze gibt, dann sind Stadt und Land aufgerufen, solche Leistungen zu bestellen und dafür zu bezahlen. Dafür kann man allgemeine Budgetmittel heranziehen oder auch die Dividende der Salzburg AG, die ja so hoch ist wie noch nie.
Das Land verfügt über ein Budget von mehr als zwei Milliarden Euro, und die Dividende lag zuletzt meines Wissens bei knapp zehn Mill. Euro. Wenn man sich diese Relationen anschaut, kann es nicht entscheidend sein, woher die Mittel kommen. Entscheidend ist, dass sie vorhanden sind.
SN: Aber die Politik argumentiert stets mit Finanzierungsproblemen. Aus meiner elfjährigen Erfahrung als Landesfinanzreferent sage ich: Man findet immer Möglichkeiten zum Umschichten, um wichtige Aufgaben finanzieren.
SN: Die Politik könnte also, ist aber nicht willens. Ja. Obwohl der Verkehr ein so drängendes Problem ist, wird er zu wenig ernst genommen.
SN: Sie haben schon vor Jahren eine Rechnung aufgestellt: 100 Millionen, aufgeteilt auf fünf Jahre, also 20 Millionen im Jahr – und zukunftsträchtige Verkehrssysteme wären Realität. Diese Rechnung hat sich nicht verändert. Mit diesem Budget könnte man viel bewegen, und einen guten öffentlichen Verkehr im Zentralraum aufbauen. Einen, der so attraktiv wäre, dass er Autofahrer zum Umstieg motiviert.
Würden sich Stadt, Land, Gemeinden und allenfalls der Bund diese Last aufteilen, wäre der jeweilige Anteil bei deutlich unter zehn Mill. Euro. Allein die Dividende der Salzburg AG ist höher.
SN: Sie haben vor 20 Jahren federführend die S-Bahn von Golling bis Freilassing vorangetrieben. Welche Lehren kann man aus dem damaligen Erfolg ziehen? Stadt, Land und Umlandgemeinden müssen an einem Strang ziehen, ein gemeinsames Konzept entwickeln, das realistisch und finanzierbar ist. Erst mit einem gemeinsamen Papier kann man mit dem Bund verhandeln, um dieses dann umzusetzen. Dazu wäre es aber wichtig, Träume von großen Lösungen zurückzustellen.
SN: Sie meinen die unterirdische Verlängerung der Lokalbahn, die gemeinsames Ziel von Stadt und Land ist? Ja. Wenn man liest, dass die U-Bahn allein vom Bahnhof bis zum Mirabellplatz, also für 700 Meter, 150 Mill. Euro kostet, dann kann man sich vorstellen, dass für andere wichtige Maßnahmen, die in Summe mehr bewirken würden, kein Geld vorhanden sein wird. Wenn man also das Geld nur ein Mal zur Verfügung hat, muss man dort investieren, wo rasche Lösungen und Verbesserungen erreichbar sind. Und das ist nicht die U-Bahn.
SN: Wie würde das günstigere
Lösungspaket für den Zentralraum aussehen? Das wären sechs Punkte: Erstens Buskorridore mit verbesserten Takten und Angeboten auf den wichtigsten Linien Richtung Salzburg, zweitens attraktivere Preise für öffentliche Verkehrsmittel, drittens ausreichend Park&Ride-Plätze im Umland, viertens ein gutes Informationssystem über die Öffi-Angebote bereits im Umland und auf den Autobahnen, was derzeit weitgehend fehlt. Fünftens eine echte SBahn nach Straßwalchen und sechstens kürzere Takte auf der Lokalbahn.
SN: Und was bräuchten die Obusse in der Stadt? Vor allem Busspuren, damit die Busse pünktlich sind. Heute stehen sie oft selbst im Stau.
SN: Dem Vorstand der Salzburg AG wird vorgeworfen, in der defizitären Verkehrssparte zu passiv zu agieren. Teilen Sie diese Kritik? Bei der Fusion von Stadtwerke und SAFE im Jahr 2000 war für den Vorstand klar, dass der Verkehr zwar defizitär ist, aber ein unglaublich wichtiger Teil des Angebots für die Salzburger. Deshalb bestand Konsens, dass der Verkehr mit allem Nachdruck und Begeisterung betrieben werden muss. Das darf in der Salzburg AG nicht verloren gehen.
SN: Haben Sie den Eindruck, dass das passiert ist? Sie werden verstehen, dass ich die Arbeit der aktuellen Führung als ehemaliger Vorstand nicht kommentieren werde. Ich hätte in meiner aktiven Zeit auch nicht gewollt, dass ein Vorgänger meine Arbeit öffentlich beurteilt.
SN: Kann sich ein Vorstand der Salzburg AG auf den Standpunkt stellen, rein nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben zu handeln? Nein, das widerspricht allen Verträgen und Absichtserklärungen, die bei der Fusion abgegeben worden sind.
SN: Landeshauptmann Haslauer führt ja ab sofort den Aufsichtsrat der Salzburg AG. Was raten Sie ihm? Der Landeshauptmann braucht keinen Rat von mir. Ich freue mich, dass er in den Aufsichtsrat gegangen ist, weil es die Bedeutung des Unternehmens dokumentiert und er dort jetzt auch mitgestalten kann.