Erntedank für einen Widerständler
Was nicht in die industrielle Norm passt, wird ungerührt in die Tonne gekippt.
Die Apfelernte war heuer sehr ertragreich, auch in unserem Garten. Mein Favorit ist der Klarapfel, weil er sich mit seiner dünnen Haut, seinem leicht mehligen Fruchtfleisch und seiner dezenten Säure ideal als Basis für Müsli eignet. Dieses Faible hab ich aber ziemlich exklusiv, weil ihn sonst kaum jemand isst, obwohl er am Land noch weit verbreitet ist.
Er ist nämlich ein Widerständler, der diametral zu allen Anforderungen des industriellen Obstbaus steht. Er ist auch mit modernen Verfahren nicht ewig haltbar – unsere schaffen gut gekühlt fast drei Monate –, ist druckempfindlich, entspricht nicht der geschmacklichen Norm, die uns über die reduzierte Auswahl des Angebots in den Supermärkten anerzogen wurde, und er schaut auch überhaupt nicht so aus, wie wir heute glauben, dass ein Apfel auszuschauen hat. Er ist nämlich selten symmetrisch, sondern manchmal ziemlich verdreht und hat oft Flecken auf seiner Schale, die zwar keine Auswirkungen auf Geschmack und Qualität haben, dem auf makellose Model-Apferl konditionierten Konsumenten aber nicht geheuer sind. Nicht einmal zum Saftpressen eignet er sich gut. Und deshalb wird er einfach seinem Schicksal überlassen, während seine Besitzer fesch aufgeputzt bei immer mehr zum Event werdenden Erntedankfeiern an was auch immer denken.
Dieses Schicksal teilt er übrigens mit vielen seiner traditionellen Kollegen. Würde man sie wenigstens liegen lassen oder unter eine Hecke schmeißen, dann hätten vielleicht noch einige Tiere etwas von ihnen, aber da könnte sich ja womöglich der den heiligen Rasenteppich betreuende Roboter verschlucken, oh Gott. Und so verfaulen sie meist in den Biotonnen unsrer geschmacksgenormten Überflussgesellschaft.