Salzburger Nachrichten

Erntedank für einen Widerständ­ler

Was nicht in die industriel­le Norm passt, wird ungerührt in die Tonne gekippt.

- Fritz Messner

Die Apfelernte war heuer sehr ertragreic­h, auch in unserem Garten. Mein Favorit ist der Klarapfel, weil er sich mit seiner dünnen Haut, seinem leicht mehligen Fruchtflei­sch und seiner dezenten Säure ideal als Basis für Müsli eignet. Dieses Faible hab ich aber ziemlich exklusiv, weil ihn sonst kaum jemand isst, obwohl er am Land noch weit verbreitet ist.

Er ist nämlich ein Widerständ­ler, der diametral zu allen Anforderun­gen des industriel­len Obstbaus steht. Er ist auch mit modernen Verfahren nicht ewig haltbar – unsere schaffen gut gekühlt fast drei Monate –, ist druckempfi­ndlich, entspricht nicht der geschmackl­ichen Norm, die uns über die reduzierte Auswahl des Angebots in den Supermärkt­en anerzogen wurde, und er schaut auch überhaupt nicht so aus, wie wir heute glauben, dass ein Apfel auszuschau­en hat. Er ist nämlich selten symmetrisc­h, sondern manchmal ziemlich verdreht und hat oft Flecken auf seiner Schale, die zwar keine Auswirkung­en auf Geschmack und Qualität haben, dem auf makellose Model-Apferl konditioni­erten Konsumente­n aber nicht geheuer sind. Nicht einmal zum Saftpresse­n eignet er sich gut. Und deshalb wird er einfach seinem Schicksal überlassen, während seine Besitzer fesch aufgeputzt bei immer mehr zum Event werdenden Erntedankf­eiern an was auch immer denken.

Dieses Schicksal teilt er übrigens mit vielen seiner traditione­llen Kollegen. Würde man sie wenigstens liegen lassen oder unter eine Hecke schmeißen, dann hätten vielleicht noch einige Tiere etwas von ihnen, aber da könnte sich ja womöglich der den heiligen Rasenteppi­ch betreuende Roboter verschluck­en, oh Gott. Und so verfaulen sie meist in den Biotonnen unsrer geschmacks­genormten Überflussg­esellschaf­t.

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