„Erwarten, dass die Gesellschaft wacher wird“Protest, Sprechchöre und Staus. Zweite Donnerstagsdemo zog von der ÖVP-Zentrale durch Wien.
Die Wiener Innenstadt stand am Donnerstag erneut im Zeichen der wiederaufgelebten Donnerstagsdemo gegen die Regierung. Aus der Standkundgebung vor dem Kanzleramt, bei der die Veranstalter vergangene Woche 20.000 Teilnehmer gezählt hatten – und die Polizei 3000 bis 4000 –, wurde am Donnerstag ein Protestzug von der ÖVP-Parteizentrale neben dem Rathaus Richtung Stadthalle – Verkehrsstaus inklusive. Am Endpunkt sollten bei der Protestlesung „DonnersTEXT“Autoren ihre Stimme gegen Angriffe auf Pressefreiheit und Kunst erheben. Die Polizei war diesmal mit rund 250 Beamten im Einsatz.
Der Protest, der an die aus der Zeit der ersten schwarz-blauen Regierung stammenden Donnerstagsdemos anknüpft, startete nach der Neuauflage der ÖVP-FPÖ-Koalition im Dezember 2017 erst mit zehnmonatiger Verzögerung – ganz anders als der prompte und viel massivere Widerstand im Jahr 2000.
Die neue Donnerstagsdemo wird von Privatpersonen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft organisiert, die Armutskonferenz ist ebenso dabei wie „Omas gegen Rechts“. Auf der Internetseite wiederdonnerstag.at gibt es sogar schon Demo-Merchandise-Produkte wie „Es ist wieder Donnerstag!“-Sweater, T-Shirts und Taschen.
Monika Salzer, pensionierte evangelische Pfarrerin und Gründerin der „Omas gegen Rechts“, betont im SN-Gespräch, die Demo sei ein Versuch unter vielen zu zeigen, dass die aktuelle politische Entwicklung von vielen Menschen nicht akzeptiert werde. „Wir können nicht erwarten, dass die Regierung stante pede zurücktritt – auch Herbert Kickl wird trotz einiger Vorkommnisse nicht stante pede zurücktreten. Wir erwarten uns aber, dass die Gesellschaft wacher wird, dass das Bewusstsein gestärkt wird, dass uns diese Demokratie wichtig ist.“Die Menschen gingen auf die Straße, weil sie die Demokratie von verschiedensten Entwicklungen bedroht sähen, sagt Salzer.
Solange die türkis-blaue Regierung da sei, werde die Demo weiterlaufen, hofft Salzer. Aber das Ganze sei ein Prozess – „man wird sehen, wie es weitergeht“. Die große Frage, die sich Salzer stellt, lautet: Wo ist die ÖVP? Diese sei schließlich eine staatstragende Partei, die diese Republik mit aufgebaut habe. „Heute sind da 20 gebrainwashte Manager am Werk – aber ich sehe keine ÖVP mit christlich-sozialem Antlitz.“
Bei der Demo gehe es auch um die Stärkung von Gemeinschaft und die „Versicherung, dass man nicht allein ist“. Die Demo helfe, gegen die politische Resignation anzukämpfen. Salzer: „Wir haben nur den öffentlichen Raum, den können wir besetzen – andere Möglichkeiten haben wir nicht.“