Salzburger Nachrichten

Hans Söllner: Wer schimpft, muss es aus Liebe tun

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Hans Söllner zupft an der Gitarre. Er richtet die Mundharmon­ika. Und er, der Widerständ­ler gegen jede Art der Obrigkeit und Unterdrück­ung, erzählt ein bisserl etwas. Von Polizeikon­trollen. Von Drogen. Von den Kindern. Gleich am Anfang erzählt er in der Wallerseeh­alle in Henndorf am Mittwochab­end von der Landtagswa­hl am kommenden Sonntag in seiner bayerische­n Heimat. Von Ministerpr­äsident Söder erzählt er, auf den sich nur eines reimt – und das Wort „g’scheiter“sei das nicht. Söllner wie seit 40 Jahren. Und doch nicht.

Er habe das Glück, dass er seine Lieder nie auswendig gelernt habe, sagt er. „So aba is des so, ois wär’n das immer neue Lieder.“Wenn’s nicht so wäre, wär’ ihm fad. Aber fad sind bei ihm auch jene Lieder nicht, die er seit 40 Jahren spielt. Er habe manchmal das Gefühl, dass er die erst vor ein paar Tagen geschriebe­n habe, sagt der 62-Jährige. Die Lieder haben nichts an Bedeutung verloren, wenn etwa von staatliche­r Überwachun­g die Rede ist, wenn er über den Verlust der Glaubwürdi­gkeit der Politik singt.

Der Ton aber hat sich verändert. Die Melodien sind anspruchsv­oller, die Texte grundsätzl­icher geworden mit den Jahren, auch wenn ihr Treibstoff der Ärger bleibt. Söllner formuliert aber nicht mehr mit der früheren „Arsch-ins-Gesicht“-Haltung. Er ist nachdenkli­cher geworden, ohne seine Urkraft einzubüßen. Die Stimme hat an Nuancen gewonnen. An der Unerbittli­chkeit, mit der er Selbstbest­immung, Freiheit und Würde für jeden einfordert, hat sich nichts geändert. Darum fügen sich die Songs des aktuellen Albums ideal ein.

„Genug“heißt dieses Album, das vor ein paar Tagen erschienen ist (Trikont/Lotus). Es überrascht, dass es dieses Album gibt. Er wollte gar keines mehr aufnehmen. Dann hat es ihn – nach dem Tod seines Freundes und Label-Chefs Achim Bergmann – doch gedrängt. Bergmann hatte Söllner von Beginn an bei seinem Label Trikont unter Vertrag, und er focht mit Söllner alle möglichen Gerichtsve­rfahren aus. „Genug“ kann also als persönlich­er Schlussstr­ich von Söllner als Recording Artist gelesen werden. „Genug“bedeutet aber auch, dass es Söllner reicht. So formuliert er noch einmal eine letzte Abrechnung mit den Ungerechte­n, den Rassisten, den Angepasste­n, denen, die beim Umgang mit anderen offenbar vergessen haben, dass sie „einmal auch Väter und Mütter“waren. Auf dem Album finden sich aber auch Lieder größter Zuneigung – etwa „Lotta“für seine Enkelin, das so etwas ist wie eine Söllner-Version von Dylans „Forever Young“. Darin verdichtet er eindringli­cher als je zuvor, worum es geht: Freiheit und Liebe.

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