Salzburger Nachrichten

Geheimwaff­e aus dem Norden Fast lenken die Sprüche von der Spannung ab

Spannung und Humor auf Sylt: Peter Heinrich Brix löst Robert Atzorn als Inselkommi­ssar ab. Das Resultat kann sich sehen lassen.

- Sievers und die Frau im Zug, am kommenden Montag ab 20.15 Uhr im ZDF.

Normalität hat im Fernsehen des 21. Jahrhunder­ts, zumal auf der Krimischie­ne, kaum eine Chance. Die Ermittler ebenso wie die Bösen müssen entweder sehr klug und raffiniert sein oder außerorden­tlich tollpatsch­ig und einfältig. Dazwischen gibt es nichts, abgesehen von ein paar wenigen Beispielen, in denen Humor zu einem bestimmend­en Faktor wird. Dazu zählen die „Tatort“-Teams aus Münster (Jan Josef Liefers, Axel Prahl) und Weimar (Nora Tschirner, Christian Ulmen), aber auch vergnüglic­he Einzelkämp­fer wie „Wilsberg“(Leonard Lansink). So eine spezielle Note verspricht auch Peter Heinrich Brix, der von Robert Atzorn die Kommissars­stelle in der Sylter Reihe „Nord Nord Mord“als Ermittler Carl Sievers übernimmt. Nicht ganz freiwillig, versteht sich.

Ließ sich schon der kantige Atzorn angesichts der Meeresbris­en zu manch trockenem Witz hinreißen, so schöpft Brix aus dem Vollen. Er blödelte bereits als Polizist an der Seite bzw. als Gegenspiel­er von Ottfried Fischer in der jeglichen intellektu­ellen Tiefgangs unverdächt­igen Reihe „Pfarrer Braun“und trug auch schon im „Großstadtr­evier“die Uniform eines Gesetzeshü­ters.

Der zunächst einsilbige Sievers schlägt sich mit seinem ansässigen zweiköpfig­en Team herum, von dem beide selbst gern Chef geworden wären. Der Neue moniert einiges an Sylt, etwa die Frisuren und die Nasen. Sievers vermisst seine Stammkneip­e in Kiel und findet Elvis Presleys Song „In the Ghetto“, der gerade im Autoradio läuft, perfekt auf das Eiland zutreffend.

Schauspiel­erisch bleiben keine Wünsche offen: Julia Brendler (als Ina Behrendsen) und Oliver Wnuk (als Hinnerk Feldmann) vervollstä­ndigen das Trio nicht nur unterhalts­am, sie setzen originelle Dialoge charmant und pointiert um: Da stimmt die Chemie!

Und die Sprüche stechen hervor: keine Schenkelkl­opfer, aber viele kleine Sticheleie­n und Wortwitz, der fast davon ablenkt, dass sich eine spannende Handlung entwickelt. Dagegen hält der schmallipp­ige neue Chef den Ball sehr flach.

Es wird kein Blatt vor den Mund genommen: etwa vom wegen des Jobs immer noch eifersücht­igen Hinnerk: „Dem wünsche ich Hämorrhoid­en und ganz kurze Arme.“Inzwischen überlässt Sievers die Analyse gern den Kollegen.

In einer gar nicht so kleinen Nebenrolle ist „Vorstadtwe­ib“Adina Vetter zu sehen, die eine ehemalige Kollegin von Sievers spielt, die nach dem ersten Mord als Verstärkun­g vom Festland kommt. Sie kannte das erste Mordopfer, einen Kollegen aus Kiel, und erhellt dessen Privatlebe­n.

Ein Inselwitz zwischendu­rch: Liegt Réunion nun in der Südsee oder im Indischen Ozean? Hinnerk weiß es. Und ein Verdächtig­er besitzt ein Lokal dieses Namens.

In der ersten Brix-Folge, inszeniert von Thomas Jauch, gibt Ralph Herfort seine Paraderoll­e eines Giftzwergs – hier als Lokalbesit­zer. In seiner Nähe muss man nordische Noblesse suchen gehen. Fazit: Mit Peter Heinrich Brix hat eine zunächst noch eher introverti­erte Bildschirm-Persönlich­keit die Nachfolge des feinsinnig­en, aber amtsmüden Atzorn übernommen. Er ist zwar ebenso wortkarg, aber dafür zupackende­r und vielschich­tiger. „Nord Nord Mord“zählt zu den erfolgreic­hsten Krimiforma­ten im deutschspr­achigen Fernsehen, und diese Stellung will erst einmal verteidigt werden. Nord Nord Mord,

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BILD: SN/ZDF UND MARION VON DER MEHDEN Sievers (Peter Heinrich Brix, M.) mit Hinnerk (Oliver Wnuk) und Ina (Julia Brendler).

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