Die zurückgelassenen Kinder
In vielen Ländern investieren die Regierungen zu wenig in Gesundheit und Bildung. Damit wird laut Weltbank die Hälfte aller Kinder weltweit ihrer Lebens- und Einkommenschancen beraubt.
Die Weltbank sorgt sich um die Entwicklung der kleinsten und schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft. 56 Prozent aller aktuell geborenen Kinder auf der Welt werden mehr als die Hälfte ihres potenziellen Lebenseinkommens verlieren, weil Staaten zu wenig in Gesundheit und Bildung investieren. Damit würden nicht nur die Kinder ihrer Chancen beraubt, es sei auch nachteilig für die wirtschaftliche Entwicklung der jeweiligen Länder.
Viele Länder täten zu wenig dafür, dass ihre Bevölkerung gesund, ausgebildet und für die Arbeitswelt der Zukunft gerüstet sei. Das geht aus dem erstmals erstellten Human Capital Index (HCI) hervor, den die Weltbank am Donnerstag auf der Jahrestagung in Indonesien präsentierte. Der Index misst das Humankapital, das ein Kind bis zum 18. Lebensjahr erreichen kann, unter Berücksichtigung des Risikos schlechter Gesundheit und mangelhafter Bildung im jeweiligen Land.
Der Human Capital Index untersucht folgende Kriterien: die Überlebenswahrscheinlichkeit bis zum Eintritt in die Schule, die bis zum 18. Geburtstag absolvierten Schuljahre in Kombination mit den Resultaten harmonisierter Schülertests, den Anteil verkrüppelter Kinder unter fünf Jahren sowie die Wahrscheinlichkeit von 15-Jährigen, das 60. Lebensjahr zu erreichen. Die Teilergebnisse werden zum HCI zusammengefasst, der Werte von 0 bis 1 annehmen kann. Der HCI spiegelt somit die mit Eintritt ins Erwachsenenalter tatsächlich erzielbare Arbeitsproduktivität von Kindern im Vergleich zu dem, was sie erreichen könnten, wenn sie völlig gesund wären und eine hochqualitative Ausbildung abschließen könnten.
Untersucht wurden 157 Länder, den Spitzenplatz nimmt Singapur mit einem HCI von 0,88 ein, dahinter folgen Südkorea, Japan und Hongkong sowie Finnland (0,81) als erstes europäisches Land. Österreich (0,79) liegt gleichauf mit Deutschland und Slowenien auf Platz elf. Von den 26 Ländern, in denen Kinder besonders schlechte Lebensund Einkommenschancen haben (HCI unter 0,4), liegen 21 in Zentral- sowie im südlichen Afrika, dazu kommen Pakistan, Afghanistan, Papua-Neuguinea und Jemen. In afrikanischen Ländern erweist es sich als besonders schwierig, der Armut zu entkommen. Während sich im Gastgeberland Indonesien das Pro-Kopf-Einkommen seit dem Jahr 2000 auf rund 3000 Dollar fast vervierfachte, gibt es in Afrika kaum Fortschritte. „Viele afrikanische Länder sind im roten Bereich“, sagte Weltbank-Chef C, „das ist eine laute und eine starke Botschaft in Richtung Afrika“.
Werte unter 0,5 bedeuten, dass die Einwohner und das Land auf die Hälfte ihres wirtschaftlichen Potenzials verzichten. Auf 50 Jahre hochgerechnet, bringe das hohe ökonomische Kosten mit sich. Sie belaufen sich laut den Experten der Weltbank auf 1,4 Prozent weniger Wirtschaftswachstum pro Jahr. Die Latte liege für alle höher, sagte Kim. „In allen Ländern entscheidet der Aufbau von Humankapital über die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, auf allen Einkommensstufen.“
Die Weltbank hat sich bei der Armutsbekämpfung zwei Ziele gesetzt, die sie bis 2030 erreichen will: Erstens soll der Anteil der Menschen, die von weniger als 1,90 USDollar pro Tag leben müssen, bis dahin auf drei Prozent der Weltbevölkerung gesenkt werden. Zudem tritt sie dafür ein, den Wohlstand gerechter zu verteilen, indem das Einkommenswachstum der unteren 40 Prozent gefördert wird.
„Für die ärmsten Menschen ist Humankapital oft das Einzige, was sie haben.“Jim Yong Kim, Weltbank-Präsident