Spar ortet Angriff auf Eigenmarken im Handel
EU-Parlamentarier wollen verhindern, dass Handelsketten Herstellern höhere als die gesetzlichen Umwelt- und Tierschutznormen abverlangen.
BRÜSSEL, WIEN. Die EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken sorgt erneut für Aufregung. Hatten sich die Handelsketten zuletzt empört, dass das EU-Parlament damit nicht nur die Bauern, sondern alle Lieferanten und damit auch große internationale Markenartikel konzerne gegenüber dem Handel besser stellen will, lässt nun einander er Punkt die Wogen hochgehen.
Wie Spar-Chef Gerhard Drexel am Donnerstag im Klub der Wirt schafts publizisten sagte, wolle man unterbinden, dass Handelsketten bei der Auftragsvergabe für Eigenmarken von den Herstellern höhere Umwelt-und Tier schutz standards verlangten. Künftig soll es demnach nicht möglich sein, über das jeweils national im Gesetz verankerte Niveau hinauszugehen. Das wäre ein massiver Schaden für Konsumenten, denn damit wäre jede Verbesserung von Produkten und ein höheres Niveau im Bereich des Umweltschutzes unterbunden, sagte Drexel. Greenpeace kritisiert, eine solche Einschränkung würde Bioprodukte quasi unmöglich machen.
Den Abänderungsantrag haben vier deutsche Parlamentarier von CSU und CDU im Agrarausschuss des EU-Parlaments eingebracht. Der ursprüngliche Entwurf von EUAgrarkommissar Phil Hogan sei „okay gewesen“, sagte Drexel, was das EU-Parlament jetzt daraus machen wolle, sei „nicht in Ordnung“. Und dass Österreichs Landwirtschaftsminister in Elis ab ethKö st ing er„ da mitspielt, ist ungeheuerlich “. Die lässt den Vorwurf nicht auf sich sitzen. In einer schriftlichen Stellungnahme verwies sie darauf, dass es sich um eine Forderung des E P- Landwirtschaft s ausschusses handle. Sie habe„ ein klares Verhandlungsmandat der Mitglieds staaten bekommen und in diesem ist diese Forderung nicht enthalten“, teilte Köstinger mit. „Für uns ist aber klar, dass es keinen Eingriff in bestehende Verträge geben darf.“
Der Frontalangriff auf die Eigenmarken würde alle Handelsketten hart treffen, aber Spar besonders. Wie Drexel sagte, erziele man mit den rund 5000 Artikeln unter eigener Marke (rund ein Zehntel des gesamten Sortiments) mittlerweile 45 Prozent des Großhandelsumsatzes.
Neben dem genannten Vorhaben lässt ein weiterer Antrag derselben Abgeordneten die Wogen hochgehen, vor allem in Deutschland. Dort sorgt das – ebenfalls im Ausschuss hineinreklamierte – Verbot von Einkaufsgemeinschaften für Aufregung. Fände dieses Verbot tatsächlich Eingang in die Richtlinie, käme dies in letzter Konsequenz einer Zerschlagung der Handelsriesen Edeka und Rewe gleich, heißt es in der Branche in Deutschland. Beide Ketten sind genossenschaftlich organisiert, die meisten Geschäfte werden von selbstständigen Kaufleuten geführt. Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbandes Deutschland (HDE), spricht von einem „Generalangriff auf den mittelständischen Lebensmittelhandel“. Genossenschaften seien das wirtschaftliche Rückgrat im Lebensmittelhandel, heißt es in einem Brief an Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder.
Der Vorstandschef der Rewe Group, Lionel Souque, sagte, die Abänderungsanträge widersprächen „der Intention der EUKommission, die Landwirtschaft zu stärken“. Der Vorstoß laufe auch der Absicht der deutschen Regierung zuwider, Genossenschaften als „nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform zu stärken. Hier soll der Markt der Regulierung weichen, zum Nachteil des Handels und der Verbraucher.“
Der österreichische EU-Abgeordnete Othmar Karas, der im Agrarausschuss sitzt, versucht, die Wogen zu glätten. „Beide Punkte müssen wir in den Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten noch korrigieren“, sagte er den SN. Einige Parlamentarier versuchen, den Gesetzesentwurf im Plenum noch einmal zu überarbeiten. Sie wollen sich offenbar nicht darauf verlassen, dass die überschießenden Punkte in den Verhandlungen mit der EUKommission und den Landwirtschaftsministern korrigiert werden. Der sogenannte Trilog sollte Ende Oktober starten. Wird eine Abstimmung im Plenum des EP notwendig – was voraussichtlich im November der Fall wäre –, würde das den Zeitplan gefährden, dass noch unter österreichischem Ratsvorsitz bis Jahresende mit unfairen Handelspraktiken aufgeräumt wird.
„Man kann uns doch nicht verbieten, zum Schutz der Konsumenten zu handeln.“Gerhard Drexel, Spar-Vorstand