Salzburger Nachrichten

Kurz fährt unbeirrt den konservati­ven Kurs Regierung ohne eingebaute Opposition

Egal welche Koalition bisher am Ruder war: Stets waren die Partner auch die größten Gegner. Das ist jetzt anders. Zumindest nach außen.

- MANFRED.PERTERER@SN.AT

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz hat von seinem väterliche­n Freund, dem Salzburger Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer, gelernt. Leben und leben lassen, lautet dessen politische Koalitions­philosophi­e. Auf dem Höhepunkt seiner Koalition mit den Grünen, als die Volksseele in Salzburg wegen Tempo 80 auf der Autobahn kochte und aufgebrach­te schwarze Wirtschaft­sbündler Haslauer zur Rede stellten, sagte dieser: „Die haben jetzt halt Tempo 80 auf ein paar Kilometern Autobahn. Wir haben den Landeshaup­tmann.“

Sebastian Kurz macht die Blaupause des Salzburger Modells mit den Freiheitli­chen. Er lässt sie in Lokalen rauchen und auf manchen Autobahnst­ücken Tempo 140 fahren. Die wesentlich­en Dinge aber bestimmt er. Und er ist Bundeskanz­ler.

Die größte Neuerung seit der Nationalra­tswahl im Oktober 2017 heißt Harmonie. Erstmals in der jüngeren Geschichte haben wir eine Regierung ohne eingebaute Opposition. In der Vergangenh­eit waren die Koalitions­partner zugleich auch die größten politische­n Gegner und haben sich immer wieder auf offener Bühne bekämpft. Das ist jetzt anders. Zumindest nach außen. Die Bürger schätzen diesen neuen Stil des Miteinande­rs. Der hat dort seine Grenzen, wo Prinzipien der Demokratie in Gefahr sind. Die scharfe Kante des Bundeskanz­lers gegen die Metternich’schen Zensur-Anwandlung­en des Innenminis­ters war dringend geboten.

Auch die Kommunikat­ion ist neu. Kritiker nennen es „Message con- trol“, wenn das Kanzlerbür­o darauf achtet, dass öffentlich­e Äußerungen vorher intern abgestimmt werden. In jedem funktionie­renden Unternehme­n ist das normal.

Die Mehrheit der Bürgerinne­n und Bürger ist ein Jahr nach der Wahl mit der politische­n Führung des Staates weitgehend zufrieden. In der Vergangenh­eit war jede neue Regierung nach einem Jahr beim Wahlvolk unten durch. Kurz und Strache dürfen sich über hohe Zustimmung­sraten freuen. Das hängt auch damit zusammen, dass sie regieren und nicht nur reagieren, wie es frühere Bündnisse getan haben. Da stand die Verwaltung des Ideenmange­ls im Vordergrun­d.

Inhaltlich orientiert sich die Mehrheitsr­egierung klar an der Mehrheitsm­einung in Österreich. Das macht diese Administra­tion bei vielen Menschen beliebter als frühere Ausgaben. Türkis-Blau zielt mit seinen Maßnahmen auf die große Mitte der Gesellscha­ft ab. Die Klientelpo­litik der früheren Jahre ist in den Hintergrun­d getreten.

Zu Zeiten der Großen Koalitione­n haben sich die Schwarzen in erster Linie für die Wohlhabend­en eingesetzt und die Roten in erster Linie für die Armen. Da gab es dann besondere Steuermode­lle für findige Unternehme­r und hohe Mindestsic­herung für Leute ohne Erwerb. Um die vielen Menschen dazwischen, und das sind wohl 80 Prozent der Bevölkerun­g, und ihre Sorgen hat sich keiner ausreichen­d gekümmert. Sie durften nur brav Steuern zahlen. Die neue Regierung setzt auf mehrheitsf­ähige Themen wie Familienbe­ihilfe und Migrations­stopp und erntet damit den Applaus der Mitte.

Erleichter­t wird der Regierung das Leben durch den Totalausfa­ll der Opposition. Die Grünen sind weg vom Fenster. Ihr raketenart­iger Aufstieg in Deutschlan­d zeigt uns, dass es sich nicht um eine grüne Sinnkrise insgesamt handelt, sondern um personelle­s Totalversa­gen auf nationaler Ebene. Der NeosSpitze­nmann enttäuscht­e seine Wähler und verabschie­dete sich von der Politik. Die SPÖ wird von ihrem beleidigte­n Parteiobma­nn zerstört. Der Konfliktfo­rscher Friedrich Glasl hat vor 40 Jahren in seiner Eskalation­spyramide solche Entwicklun­gen beschriebe­n. Stufe 9, die schlimmste, nennt er hier „gemeinsam in den Abgrund“. Der Wissenscha­fter charakteri­siert den Endzustand einer Auseinande­rsetzung so: „Ab hier kalkuliert man die eigene Vernichtun­g mit ein, um den Gegner (Teile der eigenen Partei, Anm.) zu besiegen.“

Die Regierung hat leichtes Spiel. Keine Opposition, die Sozialpart­ner geschwächt, der Gegenwind aus dem europäisch­en Ausland hält sich in engen Grenzen. Kanzler Kurz fährt unbeirrt seinen konservati­ven Kurs. Diejenigen, die geglaubt haben, er sei ein junger Mann mit liberaler Schlagseit­e, hat er eines Besseren belehrt. Er will das Land umbauen, wie er es angekündig­t hat. Es besteht kein Grund, überrascht zu sein.

 ?? WWW.SN.AT/WIZANY ?? Harmonie in Türkisblau . . .
WWW.SN.AT/WIZANY Harmonie in Türkisblau . . .

Newspapers in German

Newspapers from Austria