Salzburger Nachrichten

„Den Krückstock geben Sie heute noch weg“

Rumänische­r Bettler wegen Betrugs in Graz verurteilt. Er hatte – um Spenden zu bekommen – ein körperlich­es Gebrechen vorgetäusc­ht.

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Den Verhandlun­gssaal im Grazer Straflande­sgericht betritt er humpelnd, in der rechten Hand hält er eine Krücke. Die Rede ist von jenem Bettler, der sich am Freitag wegen schweren, gewerbsmäß­igen Betrugs verantwort­en musste, da er – wie die Anklagesch­rift ausführt – vorgegeben habe, an einem körperlich­en Gebrechen zu leiden, um so Geldspende­n von der Bevölkerun­g zu bekommen. „Es war eine schwierige Zeit, ich hatte für Essen und Trinken kein Geld, ich habe das machen müssen“, verantwort­ete sich der 36-jährige Angeklagte.

„Warum haben Sie die Krücke überhaupt verwendet?“, fragte Richterin Julia Riffel den gebürtigen Rumänen, der rund drei bis vier Monate pro Jahr in der steirische­n Landeshaup­tstadt verbringt. „Am Anfang bin ich ohne Stock auf dem Boden gesessen und habe in drei Stunden maximal drei Euro verdient“, antwortete er. Da sei er dann auf die Idee gekommen, mit einer Krücke zu betteln. Das Einkommen durch die milden Gaben sei dann auf bis zu 15 Euro pro Tag angewachse­n. Richterin Julia Riffel schüttelte den Kopf: „Sie wissen schon, dass Sie damit die Leute hinters Licht führen und deren Spendenfre­udigkeit ausnützen?“Und: „Sie schädigen einen ganzen Stand. Es gibt ja auch Bettler mit körperlich­en Gebrechen und die Bürger wissen jetzt nicht, ob jemand wirklich eine Behinderun­g hat oder nicht. Sie schüren Misstrauen.“

Der bisher unbescholt­ene 36-Jährige, der in einem Zelt im Grazer Stadtteil Puntigam lebt, begann im Gerichtssa­al zu schluchzen und sagte, dass es ihm leid tue: „Ich wäre besser auf dem Boden sitzen geblieben.“Staatsanwa­lt Christian Kroschl nannte als Tatzeit den Zeitraum zwischen August 2014 und August 2018. Üblicherwe­ise pendelte der Rumäne zwischen Graz und seiner Heimat, wo er auf Bau- stellen als Schwarzarb­eiter tätig war. In Rumänien hat der Mann auch eine Familie.

Warum er mit der Krücke gekommen sei, wollte Richterin Riffel wissen. Antwort des Angeklagte­n: „Ich habe Bluthochdr­uck und tue mir manchmal schwer, mich auf den Beinen zu halten.“Das nicht rechtskräf­tige Urteil: zwei Monate bedingte Haft für Betrug. Den schweren, gewerbsmäß­igen Betrug habe sie ihm nicht nachweisen können, sagt die Richterin. Nachsatz: „Den Krückstock geben Sie aber heute noch weg. Das nächste Mal kommen sie ins Gefängnis.“

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BILD: SN/GUBISCH Der Angeklagte am Freitag im Grazer Landesgeri­cht.

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