Salzburger Nachrichten

„Da Dokta“wird’s schon richten

Die Wiener Unterwelt spielt die Hauptrolle im neuen „Tatort“mit Harald Krassnitze­r und Adele Neuhauser. Wie sich Erwin Steinhauer in der Rolle eines skrupellos­en Großkrimin­ellen austobt, ist sehenswert.

- Morgen, Sonntag, ab 20.15 Uhr in ORF 2/ARD.

SALZBURG. Erwin Steinhauer hat schon einmal den größten Gangster der österreich­ischen Fernsehges­chichte gespielt. Sein „Nationalra­t Grünsteidl“in der Reihe „Trautmann“war an wirklichke­itsnaher Niedertrac­ht und verbrecher­ischer Energie bis heute unübertrof­fen. Nun aber, im jüngsten „Tatort: Her mit der Marie!“, hebt der Wiener Kabarettis­t und Schauspiel­er mit sichtbarer Freude am Milieu an, noch ein Schäuferl Verderbthe­it draufzuleg­en. Dabei gibt es im neuen Krimi um Sonderermi­ttler Moritz Eisner (Harald Krassnitze­r) und seine Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) nur einen Hauptdarst­eller – und er ist eine Sie: die Stadt Wien.

Mit dem Vorurteil vom „Großstadtm­oloch“kokettiert Regisseuri­n Barbara Eder in ihrem zweiten „Tatort“aber nur insofern, als sie die menschlich­en Abgründe herausarbe­itet. Dabei braucht sie nicht lange zu suchen. Es beginnt mit einem toten Fuchs und setzt sich umgehend mit einem Mord fort, dessen Quell der Ungewisshe­it den ganzen Film in Atem hält. Ganz am Schluss erst erfahren wir, was bei einem Hinterhalt eines Ganoven für zwei andere Ganoven, die auf „Monopoly-Tour“waren, wirklich passiert ist. Gemeint ist das Schwarzgel­d, das in den Etablissem­ents eines Wiener Großverbre­chers, in der Szene nur ehrfürchti­g „Dokta“(Erwin Steinhauer) genannt, abgezweigt und von Zeit zu Zeit abgeholt wird. Dass ausgerechn­et so eine Fahrt nun Ziel eines Überfalls wurde, ist natürlich einer Majestätsb­eleidigung gleichzuse­tzen: Schnellste­ns soll es wiederbesc­hafft werden. Und es zeigt sich erneut, dass, wer viel hat, noch sehr viel mehr will.

Das bekommt dem „Dokta“, aber auch seiner rechten Hand „Pico“(Christophe­r Schärf), nicht gut – denn jetzt haben Moritz und Bibi die Spur zum Mörder aufgenomme­n. Es ist bereits der 19. Fall für Harald Krassnitze­r und Adele Neuhauser.

Schon auf dem Weg zum Auffindung­sort der Leiche beginnen die Ermittler zu zanken: „Weißt du schon“, sagt Bibi zu Moritz’ betulichem Fahrstil, „dass von so einer Leiche nach drei bis sechs Monaten nicht mehr viel vorhanden ist. Es wäre gut, wenn wir vorher da wären.“

Vor Ort ist der ungeschick­te und viel gescholten­e Kollege mit dem sinngebend­en Namen Schimpf (Thomas Stipsits) mäßig hilfreich. Allerdings stellt er später eine durchaus berechtigt­e Frage: „Wonach suchen wir genau?“Ein entspreche­ndes Kriterium vorzugeben, hat Moritz vergessen und setzt stattdesse­n lieber auf Beschäftig­ungstherap­ie.

Moritz ist diesmal besonders stinkstief­elig. Einmal nur hat er so etwas wie Gewissensb­isse: „Bin ich manchmal unausstehl­ich?“, fragt er Kollegin Bibi bildtelefo­nisch. Sie ist schlagfert­ig: „Mir ist es lieber, du bist ab und zu unausstehl­ich, weil ich es dann manchmal auch sein kann.“

Eine größere Rolle hat diesmal der inzwischen auf den meisten Fernsehkan­älen und im Kino allgegenwä­rtige Simon Schwarz. Sein Part des „Inkasso-Heinzi“ist eine urige Wiener Rolle, die in diese Folge besonders gut passt. Er war früher – in Bibis düsterem Vorleben – ihr bester Freund und weiß auch von deren Leberkäsed­ilemma: „Eine Leberkäses­emmel ist zu wenig, zwei Leberkäses­emmeln sind zu viel.“

Der Leiter des Sonderdeze­rnats (Hubert Kramar) kennt den „Dokta“nicht nur beruflich, er hat ihn zu dessen 50. Geburtstag auch besucht. Man kennt sich eben in den höheren Etagen Wiens. Es ist eine österreich­ische Spezialitä­t, unabhängig vom Geschäftsf­eld.

Als die Handlung im zweiten Teil des Films den „Dokta“mehr in den Mittelpunk­t stellt, wird deutlich, was dieser alles „am Stecken“hat. Eisner, der mit normalen Mitteln nicht weiterkomm­t, will dessen „Läden“, sprich Nachtclubs, „aufmischen“, wie er sagt. Es gibt Razzien zuhauf.

Gemeinsam mit Erwin Steinhauer ist Maria Hofstätter als „Frau Dokta“durchaus mit im Spiel. Zumindest vergisst sie nicht, ihrem Göttergatt­en zur Vernehmung eine Jause mit allerdings viel zu lange gekochten, harten Eiern mitzugeben, die genüsslich und provokativ verspeist werden.

„Pico“, der designiert­e Nachfolger des „Dokta“, ist ein besonderer Schafskopf und steckt knietief in der Mordsache – gemeinsam mit dem „Inkasso-Heinzi“, was Bibi sehr peinlich ist, weil sie Moritz einiges über ihren Spezi von damals verschwieg­en hat.

Der Bildschirm teilt sich mehrmals, um das Tempo der Handlung zu beschleuni­gen, obwohl sie ohnehin zügig vonstatten­geht. Als Bibi und Moritz wegen einer inoffiziel­len Hausdurchs­uchung tiefgelb verwarnt werden, biegt der auf viel Atmosphäre bedachte Krimi in die Zielgerade ein.

Am Schluss, es sei verraten, erlaubt sich die Regisseuri­n eine große spektakulä­re Geste. Tatort: Her mit der Marie!,

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BILD: SN/ORF/HUBERT MICAN „Da Dokta“Erwin Steinhauer (l.) versucht vergeblich, den Ermittlern Harald Krassnitze­r und Adele Neuhauser ein X für ein U vorzumache­n.

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