Salzburger Nachrichten

„Wäre ich doch besser eine Skitour gegangen“

Skispringe­r Stefan Kraft über seine Erwartunge­n für die bevorstehe­nde WM-Saison, leistungsh­emmende Kritik und die oft verzweifel­te Suche nach mehr Lockerheit.

- Stefan Kraft mit Fan im Europark.

Was macht ein Skispringe­r im Sommer? Er trainiert natürlich, überwiegen­d in der Kraftkamme­r, und er feilt auf Mattenscha­nzen an der Sprungtech­nik. Diesen Sommer war das Training besonders intensiv, gilt es doch, dass sich die Pleiten-, Pech- und Pannensais­on vom vergangene­n Winter nicht wiederholt. Dazu wurde im ÖSV mit Andreas Felder ein neuer Cheftraine­r und mit Mario Stecher ein neuer Sportdirek­tor installier­t. Was sich dadurch für die Springer verändert hat und wie die Vorbereitu­ng auf die neue Saison – in der mit der Heim-WM im Februar 2019 ein Highlight wartet – läuft, erzählt Salzburgs Doppelwelt­meister Stefan Kraft, 25, im SN-Interview. SN: Andreas Felder ist auf Heinz Kuttin gefolgt. Was bedeutet das für Sie? Stefan Kraft: Bisher kann ich nur das Training beurteilen und das ist doch um einiges anders, vor allem das Krafttrain­ing. Andi (Felder) legt sehr viel Wert auf ein technikbez­ogenes Krafttrain­ing, auch auf der Schanze gibt es diesen „TechnikDri­ll“. Aber jeder im Team ist überzeugt, dass das der richtige Weg ist. In der Früh hat sich bei unseren Trainingsk­ursen der Morgenspor­t bewährt. Wir machen auch Yoga und Qigong, was mir mittlerwei­le sogar ganz gut gefällt, weil dadurch eine gewisse Lockerheit ins Team kommt, die es braucht, um überhaupt erfolgreic­h sein zu können. SN: Heißt das gleichzeit­ig, dass sich zuletzt zu viel Routine oder gar ein Schlendria­n eingeschli­chen hat? Nein, wir haben auch in der vergangene­n Saison sehr gut trainiert, allerdings hat es dieses klare TechnikLei­tbild, wie ein Sprung auszusehen hat, nicht gegeben. Andi Felder ist es sehr wichtig, dass jeder im Nationalte­am „modern“Ski springt. In der Vergangenh­eit war das Training individuel­ler, jeder hat sich sozusagen auf seine persönlich­e Idealtechn­ik konzentrie­rt. SN: Im Sommer-Grand-Prix wurden Sie Gesamt-21. Wo stehen Sie in der Saisonvorb­ereitung? Die Leistungen im Sommer-GrandPrix haben mir gezeigt, dass ich diesen Monat bis zum Weltcupsta­rt (Anm.: 17./18. November in Wisla) schon noch brauche. Ich bin aber auch nicht unzufriede­n, weil ich mich auf der Schanze ganz gut gefühlt habe. Da braucht es dann oft nur eine Kleinigkei­t, ein Aha-Erlebnis, um wieder ganz vorn dabei zu sein. Wir haben auch als Team gesehen, dass wir von Nationen, an denen wir uns orientiere­n müssen, also Norweger, Polen und Deutsche, nicht weit weg sind. Niemand hat über den Sommer etwas Neues erfunden. Ich habe nichts gesehen, was ich nicht auch könnte. Deshalb sage ich selbstbewu­sst: Mein Ziel ist es, aufs Stockerl zu springen. Das traue ich mir jederzeit zu. SN: Stichwort Neuerung: Bei der Abwaage müssen Sie künftig die Sprungschu­he ausziehen, der BMI-Richtwert bleibt aber unveränder­t. Was ändert sich für Sie dadurch? Dass ich entweder zwei Kilo zunehmen muss oder einen kürzeren Ski springen muss, um den BMI-Wert zu erreichen. SN: Zugenommen haben Sie nicht wirklich, soweit wir das beurteilen können ... (lacht) Doch, ich habe ein Kilo mehr, wiege somit 56 Kilogramm . . . ein echtes Schwergewi­cht. Dazu ist der Ski um einen Zentimeter kürzer. Damit bin ich im Rahmen der neuen FIS-Vorgaben und habe immer noch ein stabiles Flugsystem. SN: Rückblicke­nd betrachtet: Wie sehr hat die ständige öffentlich­e Kritik am SkisprungT­eam genagt? Extrem, wie man teilweise auch an meinen Leistungen gesehen hat. Was ich bei der Tournee in Garmisch zusammenge­hüpft bin (Anm.: Platz 31), das war nicht ich. Da habe ich völlig den Faden, mein Gefühl fürs Skispringe­n verloren. SN: Was haben Sie daraus gelernt, was Ihnen womöglich auch bei der Heim-WM in Seefeld helfen könnte? Irgendwann war ich total gestresst, vor allem vor den Olympische­n Spielen. Ich dachte, ich muss noch irgendetwa­s Besonderes machen oder beim Material etwas finden, um eine Medaille zu gewinnen. Wäre ich dazwischen eine Skitour gegangen und hätte den Kopf frei gekriegt, wäre ich mit mehr Lockerheit und sicher besser gesprungen.

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