Salzburger Nachrichten

Warum wir anderen helfen sollten

Nicht das „gut sein“belächeln: Der Versuch, die Welt zu einer besseren zu machen, ist nicht naiv, sondern klug. Volkswirts­chaften funktionie­ren am besten, wenn alle Chancen bekommen.

- EVA ROSSMANN

Jetzt ist also Gutmensch zu einem Schmäh-, wenn schon nicht zu einem Schimpfwor­t geworden. Offenbar ist es nicht mehr erstrebens­wert, Gutes zu tun. Und, am interessan­testen daran: Gerade die, die sonst so viel von Moral und alten Werten reden, mögen sie nicht, die Gutmensche­n. Ach so, man sollte klären, was jemand unter „Gutmensch“versteht. Ja. Einverstan­den. So wie ich Sprache gelernt habe und wie ich mit Sprache logisch umgehe, ist für mich ein Gutmensch ein guter Mensch. Natürlich kann eine andere sagen, dass für sie ein Gutmensch kein guter Mensch ist. Sondern einer, der das Gutsein nicht re- sondern bloß präsentier­t. Also eigentlich kein guter Mensch, sondern ein Selbstgere­chter. Bloß warum wird der dann nicht so genannt? Wenn ich es mir recht überlege, ist mein erstes Problem mit den Gutmensche­nschmähern genau das: Was gibt ihnen das Recht, diesen Begriff so zu definieren, wie sie es wollen? Und ihn dann einzusetze­n, wenn sie ein Problem mit gewissen Verhaltens­weisen haben, die sie offenbar an sich am ehesten mit „gut“in Verbindung bringen würden, aber aus dem einen oder anderen Grund nicht mögen. Oder brauchen können.

Vielleicht meinen Gewisse ja auch den Gutgemeint­menschen, wenn sie von Gutmensche­n reden. Einen, der es gut meint, aber etwas tut, das sie nicht als gut empfinden. Fragt sich natürlich, wer da wen bewertet. Und wer sich anmaßt, zu entscheide­n. Wer sozusagen die Wahrheit gepachtet hat. Offenbar sind es eben nicht die Gutmensche­n (denen solches bisweilen vorgeworfe­n wird), sondern die Menschen, die sie so nennen, weil sie meinen, dass die eigentlich Unsinn machen. Das verkürzt man dann auf „gut“und nimmt es als Keule.

Was sollen sich die Kinder denken? Dass gut oft nicht gut bedeutet? Und sei es nur, weil man damit eigentlich etwas anderes ausdrücken wollte? Natürlich. Auch der Begriff „gut“ist schwammig. Und wertend. Und davon abhängig, in welcher Zeit und in welcher Gesellscha­ft wir leben. Aber wir hatten uns sprachlich mit gut auf etwas geeinigt, dass erstrebens­wert ist, positiv, nicht nur im eigenen, sondern auch im allgemeine­n Sinn. Jetzt muss gut nicht mehr gut sein. Und mehr noch: Es soll auch kein Ziel sein, gut und besser, zu werden.

Was ist dann aber das neue Ziel? Wo finden wir noch Grundwerte, auf die wir uns einigen können? Oder ist auch das nicht mehr erstrebens­wert? Ist es vielleicht gar nicht gewollt, dass sich unsere Gesellscha­ft einigen kann? Wenn nichts mehr gilt, wenn auch „gut“lächerlich wird, dann macht jeder irgendwann einmal seine eigenen Werte. Wer wird gewinnen? Die Klügste? Der Stärkste? Der mit den meisten Ressourcen? Wer braucht den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt mehr? Die Reiche, Gebildete, Eloquente oder der Bedürftige an Materielle­m und an Chancen? Wer wird entscheide­n, wo es lang geht? Und wie viel Respekt hat der „Sieger“dann vor den anderen?

Apropos Respekt: Ich frage mich, was am respektvol­len Umgang miteinande­r so erklärungs­bedürftig geworden ist. Gutmensch. Und Korrekthei­t. Worte, die bewusst so eingesetzt werden, damit sich biedere Menschen unwohl fühlen. Und alle, die cool sein wollen, sich ständig bemühen, nicht so zu sein. Nur weil es Neandertal­er gibt, die Frauen noch immer am liebsten als Beute in die Höhle schleppen würden, soll ich erklären,

Ich gebe es zu: Ich will ein besserer Mensch werden. Und ich habe null Lust, mich dafür zu entschuldi­gen.

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