Achtung, Shakespeare-Zitat!
Es gibt Lügen, es gibt verdammte Lügen und es gibt die amtliche Statistik. Genauso könnte man sagen: Es gibt Vorwürfe, es gibt vernichtende Vorwürfe und es gibt das, was eine steirische Genossin unlängst über den neuen Bundesgeschäftsführer der SPÖ gesagt hat. Und zwar erklärte sie mit allen Anzeichen äußerster Empörung, der Parteisekretär könne jedes große ShakespeareZitat in fünf verschiedenen Sprachen auswendig hersagen. O pfui!
Das ist natürlich das Allerschlimmste, wenn man Shakespeare-Zitate kennt. Bitte, Goethe-Zitate würden ja noch angehen. Vor allem dieses eine gewisse Zitat aus dem „Götz von Berlichingen“, das wirklich jeder kennt, und das einen unverzichtbaren Bestandteil jeder gedie- genen Konversation darstellt. Aber Shakespeare? „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche“– wer braucht das, überhaupt als Parteisekretär?
Obwohl: Als dessen neue Parteivorsitzende bei ihrem Amtsantritt neulich versicherte „Ich bin die Pamela und nicht der Christian“, klang das fast so wie die Zeile aus „Romeo und Julia“. Sollte sich besagte Genossin also irren? Kann man mit Shakespeare vielleicht ganz trefflich Politik machen?
Einiges spricht dafür. So könnte man sich gut vorstellen, dass Innenminister Herbert Kickl angesichts der anfänglichen Nachwuchsprobleme für seine berittene Polizei eine Anleihe bei Shakespeares bösem Richard III. genommen und gerufen hat: „Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd!“.
Wenn man sich ansieht, wie hart das Wirken jeglichen Politikers öffentlich beurteilt wird, könnte als Motto dafür die Feststellung aus Shakespeares „Heinrich VIII.“dienen: „Der Menschen Sünden leben fort in Erz, ihr edles Wirken schreiben wir ins Wasser.“
Und als eine ernste Warnung für Politiker vor sich selbst sollte am Eingang jeder Parteizentrale der Satz aus „Richard II.“hängen: „Die Eitelkeit, der nimmersatte Geier, fällt nach verzehrtem Vorrat selbst sich an.“
Man sieht: Shakespeare-Zitate können durchaus nützlich sein. In der täglichen Politik kommen sie allerdings kaum noch vor, da das Verwenden von klassischen Zitaten in der heutigen, absolut stromlinienförmig und antiseptisch gestalteten politischen Kommunikation viel, viel zu riskant wäre.
Die Zeiten, als der unvergessene ÖVPJustizsprecher Michael Graff die Angriffe einer (übrigens jungen) Oppositionsabgeordneten im Parlament mit der „Faust“-Zeile „Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber“quittierte, sind lang vorbei. Heute, im Zeitalter der politischen Korrektheit, zöge ein solches Zitat den sofortigen Rücktritt nach sich.
Auch der Gerne-Zitierer Andreas Khol büßte seine Sünden ab, als er eine Haltungsänderung seiner Partei mit dem klassischen Zitat „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“verbrämte. Mehr brauchte er nicht. Die gesamte Politik ist zwar eine fortgesetzte Illustration dieser philosophischen Feststellung, aber aussprechen sollte man sie nicht.
Nur ganz wenige Politiker bringen heute noch den Mut auf, den ewigen Zitatenschatz durch eigene Aussprüche zu vermehren. Wie beispielsweise der verflossene Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der zu Wahlkampf-Eskapaden seiner Partei einmal meinte: „Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz.“– Ein Zitat war geboren, treffend, wie es nur wenige sind.
Wesentlich weniger treffend – das sei vorneweg eingestanden – ist das abschließende Zitat, das garantiert nicht zur Debatte über das Verhältnis der Geschlechter oder Ehe und eingetragene Partnerschaft passt. Nämlich sagt der Narr in Shakespeares „Was ihr wollt“: „Narren verhalten sich zu Ehemännern wie Sardellen zu Heringen; der Ehemann ist der größte von beiden.“