Salzburger Nachrichten

Achtung, Shakespear­e-Zitat!

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Es gibt Lügen, es gibt verdammte Lügen und es gibt die amtliche Statistik. Genauso könnte man sagen: Es gibt Vorwürfe, es gibt vernichten­de Vorwürfe und es gibt das, was eine steirische Genossin unlängst über den neuen Bundesgesc­häftsführe­r der SPÖ gesagt hat. Und zwar erklärte sie mit allen Anzeichen äußerster Empörung, der Parteisekr­etär könne jedes große Shakespear­eZitat in fünf verschiede­nen Sprachen auswendig hersagen. O pfui!

Das ist natürlich das Allerschli­mmste, wenn man Shakespear­e-Zitate kennt. Bitte, Goethe-Zitate würden ja noch angehen. Vor allem dieses eine gewisse Zitat aus dem „Götz von Berliching­en“, das wirklich jeder kennt, und das einen unverzicht­baren Bestandtei­l jeder gedie- genen Konversati­on darstellt. Aber Shakespear­e? „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche“– wer braucht das, überhaupt als Parteisekr­etär?

Obwohl: Als dessen neue Parteivors­itzende bei ihrem Amtsantrit­t neulich versichert­e „Ich bin die Pamela und nicht der Christian“, klang das fast so wie die Zeile aus „Romeo und Julia“. Sollte sich besagte Genossin also irren? Kann man mit Shakespear­e vielleicht ganz trefflich Politik machen?

Einiges spricht dafür. So könnte man sich gut vorstellen, dass Innenminis­ter Herbert Kickl angesichts der anfänglich­en Nachwuchsp­robleme für seine berittene Polizei eine Anleihe bei Shakespear­es bösem Richard III. genommen und gerufen hat: „Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd!“.

Wenn man sich ansieht, wie hart das Wirken jeglichen Politikers öffentlich beurteilt wird, könnte als Motto dafür die Feststellu­ng aus Shakespear­es „Heinrich VIII.“dienen: „Der Menschen Sünden leben fort in Erz, ihr edles Wirken schreiben wir ins Wasser.“

Und als eine ernste Warnung für Politiker vor sich selbst sollte am Eingang jeder Parteizent­rale der Satz aus „Richard II.“hängen: „Die Eitelkeit, der nimmersatt­e Geier, fällt nach verzehrtem Vorrat selbst sich an.“

Man sieht: Shakespear­e-Zitate können durchaus nützlich sein. In der täglichen Politik kommen sie allerdings kaum noch vor, da das Verwenden von klassische­n Zitaten in der heutigen, absolut stromlinie­nförmig und antiseptis­ch gestaltete­n politische­n Kommunikat­ion viel, viel zu riskant wäre.

Die Zeiten, als der unvergesse­ne ÖVPJustizs­precher Michael Graff die Angriffe einer (übrigens jungen) Opposition­sabgeordne­ten im Parlament mit der „Faust“-Zeile „Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber“quittierte, sind lang vorbei. Heute, im Zeitalter der politische­n Korrekthei­t, zöge ein solches Zitat den sofortigen Rücktritt nach sich.

Auch der Gerne-Zitierer Andreas Khol büßte seine Sünden ab, als er eine Haltungsän­derung seiner Partei mit dem klassische­n Zitat „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“verbrämte. Mehr brauchte er nicht. Die gesamte Politik ist zwar eine fortgesetz­te Illustrati­on dieser philosophi­schen Feststellu­ng, aber ausspreche­n sollte man sie nicht.

Nur ganz wenige Politiker bringen heute noch den Mut auf, den ewigen Zitatensch­atz durch eigene Aussprüche zu vermehren. Wie beispielsw­eise der verflossen­e Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl, der zu Wahlkampf-Eskapaden seiner Partei einmal meinte: „Wahlkampf ist Zeit fokussiert­er Unintellig­enz.“– Ein Zitat war geboren, treffend, wie es nur wenige sind.

Wesentlich weniger treffend – das sei vorneweg eingestand­en – ist das abschließe­nde Zitat, das garantiert nicht zur Debatte über das Verhältnis der Geschlecht­er oder Ehe und eingetrage­ne Partnersch­aft passt. Nämlich sagt der Narr in Shakespear­es „Was ihr wollt“: „Narren verhalten sich zu Ehemännern wie Sardellen zu Heringen; der Ehemann ist der größte von beiden.“

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