Mein wartungsfreies Leben
ICHbin bereits eine erkleckliche Zahl von Jahren alt, warte aber immer noch auf eine Erklärung, was erklecklich eigentlich bedeutet.
Oft hilft es ja, um ein Wort zu verstehen, wenn man weiß, was sein Gegenteil ist. Doch was ist das Gegenteil von erklecklich? Unerklecklich? So wie bei erquicklich und unerquicklich? Oder ist es erklotzlich? Da gibt es doch das bundesdeutsche Sprichwort, man solle klotzen und nicht kleckern.
Oder ist das Gegenteil von erklecklich einfach wenig? Dann würde erklecklich so viel wie viel bedeuten. Aber schickt man aus dem Urlaub erkleckliche Grüße? Nicht wirklich. Also ich warte weiter auf eine Erklärung.
Überhaupt ist, wenn ich mein Leben so Revue passieren lasse, das Warten darin eine der Hauptbeschäftigungen. Was habe ich schon auf Busse, Züge und Straßenbahnen gewartet. Oder auf Menschen, mit denen ich verabredet war. Oder vor der Stehplatzkasse in der Oper. Oder beim Zahnarzt.
Eine besonders erkleckliche Zahl von Stunden habe ich berufsbedingt in Ministerien oder im Bundeskanzleramt auf das Ende irgendwelcher Verhandlungen und das Erscheinen des Hausherrn gewartet. Das war nicht immer ganz erquicklich. Manche dieser Wartezeiten waren von der Dauer her ein derartiger Klotz, dass ich mitunter der Auffassung zuneige, dass erklecklich vielleicht grausam bedeutet.
Aber verstehen Sie mich nicht falsch. Ich beschwere mich nicht. Weil am Ende des Wartens bekommt man ja immer etwas: eine Reise im Zug; eine Karte für die Oper; einen Zahn gezogen; oder den Bundeskanzler zu Gesicht. Wobei einen Zahn gezogen zu bekommen erquicklicher sein kann als das Ansichtigwerden des Regierungschefs, aber das ist von Fall zu Fall unterschiedlich.
Warten bzw. Wartenlassen hat aber nicht nur eine kontemplative, sondern auch eine aggressive Komponente. Denn sonst würde man nicht jemanden, auf den man böse ist, mit den Worten „Na warte!“anzischen.
Ich habe, wenn ich es überschlagsmäßig zusammenrechne, in meinem Leben bisher mindestens drei Jahre lang auf irgendetwas gewartet. Da ich ein eher ungeduldiger Mensch bin, finde ich das ganz schön erklecklich. Gerne würde ich daher fortan ein wartungsfreies Leben führen, wie man so sagt.
Als Wartung gelten gemäß DINNorm übrigens „Maßnahmen zur Verzögerung des Abbaus des vorhandenen Abnutzungsvorrates der Betrachtungseinheit“. Und da ich als Betrachtungseinheit mit einem nur noch unerklecklichen Abnutzungsvorrat ausgestattet bin, sage ich in Zukunft zu jedem, der mich warten lässt: Na warte!