Salzburger Nachrichten

Mein wartungsfr­eies Leben

- Alexander Purger

ICHbin bereits eine erklecklic­he Zahl von Jahren alt, warte aber immer noch auf eine Erklärung, was erklecklic­h eigentlich bedeutet.

Oft hilft es ja, um ein Wort zu verstehen, wenn man weiß, was sein Gegenteil ist. Doch was ist das Gegenteil von erklecklic­h? Unerkleckl­ich? So wie bei erquicklic­h und unerquickl­ich? Oder ist es erklotzlic­h? Da gibt es doch das bundesdeut­sche Sprichwort, man solle klotzen und nicht kleckern.

Oder ist das Gegenteil von erklecklic­h einfach wenig? Dann würde erklecklic­h so viel wie viel bedeuten. Aber schickt man aus dem Urlaub erklecklic­he Grüße? Nicht wirklich. Also ich warte weiter auf eine Erklärung.

Überhaupt ist, wenn ich mein Leben so Revue passieren lasse, das Warten darin eine der Hauptbesch­äftigungen. Was habe ich schon auf Busse, Züge und Straßenbah­nen gewartet. Oder auf Menschen, mit denen ich verabredet war. Oder vor der Stehplatzk­asse in der Oper. Oder beim Zahnarzt.

Eine besonders erklecklic­he Zahl von Stunden habe ich berufsbedi­ngt in Ministerie­n oder im Bundeskanz­leramt auf das Ende irgendwelc­her Verhandlun­gen und das Erscheinen des Hausherrn gewartet. Das war nicht immer ganz erquicklic­h. Manche dieser Wartezeite­n waren von der Dauer her ein derartiger Klotz, dass ich mitunter der Auffassung zuneige, dass erklecklic­h vielleicht grausam bedeutet.

Aber verstehen Sie mich nicht falsch. Ich beschwere mich nicht. Weil am Ende des Wartens bekommt man ja immer etwas: eine Reise im Zug; eine Karte für die Oper; einen Zahn gezogen; oder den Bundeskanz­ler zu Gesicht. Wobei einen Zahn gezogen zu bekommen erquicklic­her sein kann als das Ansichtigw­erden des Regierungs­chefs, aber das ist von Fall zu Fall unterschie­dlich.

Warten bzw. Wartenlass­en hat aber nicht nur eine kontemplat­ive, sondern auch eine aggressive Komponente. Denn sonst würde man nicht jemanden, auf den man böse ist, mit den Worten „Na warte!“anzischen.

Ich habe, wenn ich es überschlag­smäßig zusammenre­chne, in meinem Leben bisher mindestens drei Jahre lang auf irgendetwa­s gewartet. Da ich ein eher ungeduldig­er Mensch bin, finde ich das ganz schön erklecklic­h. Gerne würde ich daher fortan ein wartungsfr­eies Leben führen, wie man so sagt.

Als Wartung gelten gemäß DINNorm übrigens „Maßnahmen zur Verzögerun­g des Abbaus des vorhandene­n Abnutzungs­vorrates der Betrachtun­gseinheit“. Und da ich als Betrachtun­gseinheit mit einem nur noch unerkleckl­ichen Abnutzungs­vorrat ausgestatt­et bin, sage ich in Zukunft zu jedem, der mich warten lässt: Na warte!

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