Make sex, not war!
Über die unheimliche Macht der natürlichen Intelligenz und warum Sex die einzig wahre Menschenliebe ist.
Werner Gruber ist nicht gerade dafür bekannt, dass er stets sein Umfeld bezirzt. Und von der Liebe hat der Neurophysiker und ehemalige Science Buster sowieso eine unumstößliche Meinung, er sagt: „Liebe setzt den freien Willen voraus. Und den haben wir nicht.“Also gibt es keine Liebe? „Doch“, sagt er. „Wissenschaftlich betrachtet ist sie sogar ein Beweis dafür, dass wir nicht Herr unserer Sinne sind. Und das ist gefährlich.“Aber allzu viel Klarheit sei auch ungesund, meint er, hebt die Augenbrauen und fragt: „Welche Aufgabe haben Gefühle?“Wir zucken ahnungslos mit den Schultern. „Um Entscheidungen zu treffen“, erklärt er. Wenn wir ganz nüchtern denkende Lebewesen wären, dann befänden wir uns ständig in tödlicher Gefahr. Als Beispiel nennt Gruber das Gleichnis von Buridans Esel. Das stammt von dem persischen Philosophen Al-Ghazālī (1058–1111). Es handelt von einem Esel, der zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen steht. Er verhungert schließlich, weil er sich nicht entscheiden kann, welchen er zuerst fressen soll.
Al-Ghazālī führte dieses Paradoxon noch genauer aus: Wenn ein durstiger Mann auf zwei unterschiedliche Gläser Wasser zugreifen kann, die für seine Zwecke in jeder Hinsicht gleich sind, müsste er verdursten, solange eins nicht schöner, leichter oder näher an seiner rechten Hand ist. „Jeder Mensch“, sagt Gruber, „muss täglich Tausende Entscheidungen treffen. Ohne Gefühle wären wir alle gelähmt.“
Die Liebe aber, so warnt Gruber, die sei der ganz harte Stoff: „Wenn Sie verliebt sind, dann spielt ihr Hormonspiegel drei Monate lang verrückt. Da sind Sie auf Drogen, die kann man nicht auf dem Karlsplatz kaufen.“Dieses Hormonfeuerwerk schränke unsere Entscheidungsunfähigkeit enorm ein. „Da befindet sich der moderne Menschen genau in jener Phase, in der er beim Geschlechtsverkehr oft und gern auf Verhütungsmittel vergisst“, erklärt er. Und was passiert mit den Verliebten nach diesen drei Monaten? „Nackter Entzug“, sagt Gruber. „Dann müssen Sie ohne diese Drogen weiter Sex machen. Vorausgesetzt, Sie wollen überhaupt noch ...“
Wie aber kommen paarungswillige Menschen überhaupt zusammen? Der Radiosender Bayern 2 zitierte eine von Professor Karl Grammer durchgeführte Langzeituntersuchung in 37 Kulturen. Das Ergebnis: Alle Menschen finden über sämtliche ethnische und religiöse Grenzen die gleichen Merkmale eines Gesichts attraktiv. Etwa glatte Haut und weiße Zähne. Diese Merkmale signalisieren Gebärfähigkeit. Interessant ist auch, dass sich Frauen während des Eisprungs freizügiger kleiden als während ihrer unfruchtbaren Tage. Und der Evolutionspsychologe Andreas Hejj weist darauf hin, dass die Vorliebe der Männer für weibliche Kurven neun Millionen Jahre alt ist. Diese gehe darauf zurück, dass der Mann diese Rundungen (vor allem die Brüste) ganz uneigennützig unterbewusst als Fettdepots betrachtet, von denen seine Kinder zehren konnten, sollte er als Jäger nicht erfolgreich sein. Auch der Duft spielt eine Rolle. Am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön wurde nachgewiesen, dass sich Männer und Frauen nur dann riechen konnten, wenn sie immungenetisch unähnlich waren. Wurde jemand als stinkend empfunden, dann war er immungenetisch ähnlich. Biologisch ist das sinnvoll. Denn ein Partner mit möglichst unähnlichen Immungenen erhöht die Widerstandsfähigkeit der Nachkommen.
Aber auch soziale Gegebenheiten sind von Bedeutung. Darauf weist der Psychologe Marcel Zentner hin. So bevorzugten etwa Frauen in Ländern mit niedriger Gleichstellung wohlhabende Männer, während die Finnen eher an intelligenten und gebildeten Frauen interessiert seien.
Wozu es führen würde, wenn wir ausschließlich unseren Trieben folgten, das kann man bei unseren Verwandten, den Bonobos, beobachten. Wissenschafter vermuten, dass deren emsiges Sexualverhalten in erster Linie der Reduktion von Spannungen dient – und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht und Rangstufe. Bonobos kopulieren täglich in unterschiedlichsten Stellungen mit verschiedenen Partnern. Nicht wenige Bonobos bieten ihre sexuellen Dienste für Nahrung als Gegenleistung an.
Und wie verhält es sich nun mit der Liebe und dem Sex? Dafür fand der englische Musiker Sting eine schöne Erklärung. Er meinte, die Menschen sollten nicht nur öfter Sex haben, sie sollten sich dabei vor allem jedes Mal bewusst sein, dass daraus Leben entstehen könnte. Erst dann sei Sex, was er sein sollte: wahre Menschenliebe.