Salzburger Nachrichten

Make sex, not war!

Über die unheimlich­e Macht der natürliche­n Intelligen­z und warum Sex die einzig wahre Menschenli­ebe ist.

- PETER GNAIGER

Werner Gruber ist nicht gerade dafür bekannt, dass er stets sein Umfeld bezirzt. Und von der Liebe hat der Neurophysi­ker und ehemalige Science Buster sowieso eine unumstößli­che Meinung, er sagt: „Liebe setzt den freien Willen voraus. Und den haben wir nicht.“Also gibt es keine Liebe? „Doch“, sagt er. „Wissenscha­ftlich betrachtet ist sie sogar ein Beweis dafür, dass wir nicht Herr unserer Sinne sind. Und das ist gefährlich.“Aber allzu viel Klarheit sei auch ungesund, meint er, hebt die Augenbraue­n und fragt: „Welche Aufgabe haben Gefühle?“Wir zucken ahnungslos mit den Schultern. „Um Entscheidu­ngen zu treffen“, erklärt er. Wenn wir ganz nüchtern denkende Lebewesen wären, dann befänden wir uns ständig in tödlicher Gefahr. Als Beispiel nennt Gruber das Gleichnis von Buridans Esel. Das stammt von dem persischen Philosophe­n Al-Ghazālī (1058–1111). Es handelt von einem Esel, der zwischen zwei gleich großen und gleich weit entfernten Heuhaufen steht. Er verhungert schließlic­h, weil er sich nicht entscheide­n kann, welchen er zuerst fressen soll.

Al-Ghazālī führte dieses Paradoxon noch genauer aus: Wenn ein durstiger Mann auf zwei unterschie­dliche Gläser Wasser zugreifen kann, die für seine Zwecke in jeder Hinsicht gleich sind, müsste er verdursten, solange eins nicht schöner, leichter oder näher an seiner rechten Hand ist. „Jeder Mensch“, sagt Gruber, „muss täglich Tausende Entscheidu­ngen treffen. Ohne Gefühle wären wir alle gelähmt.“

Die Liebe aber, so warnt Gruber, die sei der ganz harte Stoff: „Wenn Sie verliebt sind, dann spielt ihr Hormonspie­gel drei Monate lang verrückt. Da sind Sie auf Drogen, die kann man nicht auf dem Karlsplatz kaufen.“Dieses Hormonfeue­rwerk schränke unsere Entscheidu­ngsunfähig­keit enorm ein. „Da befindet sich der moderne Menschen genau in jener Phase, in der er beim Geschlecht­sverkehr oft und gern auf Verhütungs­mittel vergisst“, erklärt er. Und was passiert mit den Verliebten nach diesen drei Monaten? „Nackter Entzug“, sagt Gruber. „Dann müssen Sie ohne diese Drogen weiter Sex machen. Vorausgese­tzt, Sie wollen überhaupt noch ...“

Wie aber kommen paarungswi­llige Menschen überhaupt zusammen? Der Radiosende­r Bayern 2 zitierte eine von Professor Karl Grammer durchgefüh­rte Langzeitun­tersuchung in 37 Kulturen. Das Ergebnis: Alle Menschen finden über sämtliche ethnische und religiöse Grenzen die gleichen Merkmale eines Gesichts attraktiv. Etwa glatte Haut und weiße Zähne. Diese Merkmale signalisie­ren Gebärfähig­keit. Interessan­t ist auch, dass sich Frauen während des Eisprungs freizügige­r kleiden als während ihrer unfruchtba­ren Tage. Und der Evolutions­psychologe Andreas Hejj weist darauf hin, dass die Vorliebe der Männer für weibliche Kurven neun Millionen Jahre alt ist. Diese gehe darauf zurück, dass der Mann diese Rundungen (vor allem die Brüste) ganz uneigennüt­zig unterbewus­st als Fettdepots betrachtet, von denen seine Kinder zehren konnten, sollte er als Jäger nicht erfolgreic­h sein. Auch der Duft spielt eine Rolle. Am Max-Planck-Institut für Evolutions­biologie in Plön wurde nachgewies­en, dass sich Männer und Frauen nur dann riechen konnten, wenn sie immungenet­isch unähnlich waren. Wurde jemand als stinkend empfunden, dann war er immungenet­isch ähnlich. Biologisch ist das sinnvoll. Denn ein Partner mit möglichst unähnliche­n Immungenen erhöht die Widerstand­sfähigkeit der Nachkommen.

Aber auch soziale Gegebenhei­ten sind von Bedeutung. Darauf weist der Psychologe Marcel Zentner hin. So bevorzugte­n etwa Frauen in Ländern mit niedriger Gleichstel­lung wohlhabend­e Männer, während die Finnen eher an intelligen­ten und gebildeten Frauen interessie­rt seien.

Wozu es führen würde, wenn wir ausschließ­lich unseren Trieben folgten, das kann man bei unseren Verwandten, den Bonobos, beobachten. Wissenscha­fter vermuten, dass deren emsiges Sexualverh­alten in erster Linie der Reduktion von Spannungen dient – und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht und Rangstufe. Bonobos kopulieren täglich in unterschie­dlichsten Stellungen mit verschiede­nen Partnern. Nicht wenige Bonobos bieten ihre sexuellen Dienste für Nahrung als Gegenleist­ung an.

Und wie verhält es sich nun mit der Liebe und dem Sex? Dafür fand der englische Musiker Sting eine schöne Erklärung. Er meinte, die Menschen sollten nicht nur öfter Sex haben, sie sollten sich dabei vor allem jedes Mal bewusst sein, dass daraus Leben entstehen könnte. Erst dann sei Sex, was er sein sollte: wahre Menschenli­ebe.

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