Salzburger Nachrichten

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Welche Gesten in Österreich erlaubt und welche verboten sind.

- STEPHAN KLIEMSTEIN

Gesten gehören zur Kommunikat­ion, schon immer. Doch nicht jedes Handzeiche­n ist legal. Auf der schwarzen Liste des „SymboleGes­etzes“, auf der bereits Zeichen von Terrororga­nisationen wie dem „Islamische­n Staat“(IS) oder Al-Kaida stehen, sollen künftig auch Symbole der PKK, der Muslimbrud­erschaft, der Hamas oder der faschistis­chen Ustascha landen – geplant ist auch eine Ausweitung des Verbots auf Gesten wie den Wolfsgruß der türkisch-nationalis­tischen Grauen Wölfe. Bis Ende Oktober befindet sich der Gesetzesen­twurf noch in der Begutachtu­ngsphase, ab 1. März 2019 sollen dann Symbole, die den demokratis­chen Grundwerte­n widersprec­hen, verboten und mit Strafen von bis zu 4000 und im Wiederholu­ngsfall bis zu 10.000 Euro sanktionie­rt werden. Schon jetzt sind viele Gesten, nicht nur politische, rechtlich problemati­sch. Ein Überblick. Besonders im Straßenver­kehr sind Unmutsäuße­rungen in Form des ausgestrec­kten Mittelfing­ers keine Seltenheit. Was viele nicht wissen: Wer anderen den Stinkefing­er zeigt und dadurch den öffentlich­en Anstand verletzt, kann sich eine Verwaltung­sstrafe von bis zu 500 Euro einhandeln. Auch zivilrecht­liche Folgen sind denkbar. Allerdings muss die Handlung stets im Zusammenha­ng mit der jeweiligen Situation betrachtet und beurteilt werden. Das Zeigen des Stinkefing­ers kann nämlich auch Ausdruck eines politische­n Statements und damit zulässig sein: Erst Anfang des Jahres wurde gerichtlic­h entschiede­n, dass die „Linkswende“dem FPÖ-Chef Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache den Mittelfing­er zeigen darf, zumindest im politische­n Zusammenha­ng. Als elementare­r Bestandtei­l der Meinungsfr­eiheit, so das Gericht, müsse es nämlich zulässig sein, eine ablehnende Haltung gegen einen führenden Politiker auszudrück­en, selbst wenn das schockiere­nd und provokant sein mag. Wer andere beleidigt, begeht eine Straftat. Das mag vielen nicht bewusst sein, doch die Rechtslage ist eindeutig: Wer andere Menschen öffentlich beschimpft oder verspottet, ist mit einer Freiheitss­trafe bis zu drei Monaten zu bestrafen. Voraussetz­ung dafür ist, dass die Beleidigun­g vor mehreren Leuten erfolgt, also in der Gegenwart von mehr als zwei Personen. Täter und Opfer zählen nicht dazu. Entschuldi­gt ist nur, wer sich durch Entrüstung über das Verhalten eines anderen zur Beleidigun­g hinreißen lässt, sofern seine Gemütserre­gung allgemein begreiflic­h ist. Als Privatankl­agedelikt erfolgt die Strafverfo­lgung wegen einer Beleidigun­g nur auf Verlangen der verletzten Person. Beleidigte müssen dazu Privatankl­age beim zuständige­n Strafgeric­ht erheben.

Mehrfach hat der Oberste Gerichtsho­f (OGH) betont, dass eine gefährlich­e Drohung auch durch eine Geste erfolgen kann. Gesten wie das „Halsabschn­eiden“, das „Erschießen“oder Andeuten von Schlägen können daher ein juristisch­es Nachspiel haben. Natürlich kommt es bei der Beurteilun­g einer Strafbarke­it stets auf den Einzelfall und die konkreten Umstände an – und auch auf die Frage, ob das Opfer durch die Drohung in Furcht und Unruhe versetzt wurde. Ist Letzteres der Fall, drohen Freiheitss­trafen bis zu einem Jahr. Wird mit dem Tod gedroht, können es sogar bis zu drei Jahre sein.

Nach dem Verbotsges­etz aus dem Jahr 1947 und dem darin verankerte­n Verbot nationalso­zialistisc­her Wiederbetä­tigung ist das Gutheißen und Verbreiten jener verbrecher­ischen Ideologie, die Millionen Menschen das Leben gekostet hat, mit strenger Strafe bedroht. Dennoch ist die Zahl der Anzeigen seit Mitte der 2000er-Jahre angestiege­n: Erst im Juni dieses Jahres ist ein 69-jähriger Kroate in Klagenfurt zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt worden, weil er bei einer Gedenkfeie­r den Hitlergruß zeigte. Nur wenige Wochen später erhielt ein 30-jähriger Deutscher ebenfalls in Klagenfurt 24 Monate Haft wegen Wiederbetä­tigung, davon vier Monate unbedingt. Was oft als „Dummheit“oder „b’soffene G’schicht“abgetan wird, ist mit Freiheitss­trafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlich­keit bis zu 20 Jahren bedroht.

Auch die Zahl „88“kann als Code für den Hitlergruß unter den Tatbestand des § 3g Verbotsges­etz fallen. In den 90er-Jahren hat der OGH ausgesproc­hen, dass es eine Wiederbetä­tigung darstellt, wenn ein Fußballspi­eler Socken trägt, bei denen im Wadenberei­ch die Zahl „88“gut sichtbar ist.

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BILDER: SN/FOTOLIA-FILISTIMLY­ANIN1, DPA Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (König & Kliemstein Rechtsanwä­lte OG).

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