Sprache und Diktatur
Die Macht des (vereinnahmten) Wortes
Diktaturen missbrauchen Sprache für politische Zwecke, Wörter verlieren ihre Unschuld. Noch heute jagen einem Begriffe aus der NS-Zeit wie „Säuberungsaktion“eiskalte Schauer über den Rücken. Auch das Politbüro des Zentralkomitees der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) setzte auf Sprach- und Informationslenkung. Die DDR-Medien unterstanden der Kontrolle des Regimes; Journalisten sollten mittels „Erfolgsberichterstattung“die Tatkraft der Werktätigen fördern, die Vorzüge der sozialistischen Planwirtschaft preisen und sich dabei stilistisch an die Vorgaben halten. „Wer die Herrschaft über Sprache besitzt, verfügt über ein wirksames Machtmittel“, schreibt Steffen Pappert. Seit Erich Honecker (im Bild) wurde die Wissenschaft verstärkt in den Dienst genommen. So war der bekannte Sprachphilosoph Georg Klaus von der „Macht des Wortes“überzeugt. Es galt empirisch-soziologisch zu erforschen, mit welchen Empfindungen Menschen auf bestimmte Formulierungen reagierten, um Kampfparolen und Siegesformeln zu entwickeln. Wichtig war es, Emotionen anzusprechen. Schlag- und Schlüsselwörter – beispielsweise „Solidarität“und „Sozialismus“– wurden wie politisches Terrain besetzt und ideologisch aufgeladen. Wer von der offiziellen Sprachregelung abwich, machte sich als Oppositioneller verdächtig. Allerdings zeigte sich eine immer größer werdende Kluft zwischen Erfolgsbotschaften und realen Zuständen, was die Leute 1989 zum Protest auf die Straßen trieb. Buchtipp: Sprache und Diktatur (Hrsg. Sarhan Dhouib, Velbrück Wissenschaft). Alexandra Bleyer