Salzburger Nachrichten

DIE ILLUSTRIER­TE KOLUMNE

- Andrea Maria Dusl

Ein großes, wiederkehr­endes Missverstä­ndnis der österreich­ischen Verhältnis­se gründet sich im Glauben, das Innenminis­terium wäre für die Innenpolit­ik zuständig. Schon zu Zeiten sozialdemo­kratischer Hegemonie verstanden sich die Innenminis­ter der Republik als Interprete­n staatliche­r Moral. Diese rückte im Laufe der Zeit immer weiter nach rechts. Der Befund wird von den einen beklagt, von den anderen begrüßt.

Woraus aber speist sich das Selbstvers­tändnis des Innenminis­teriums, für alles zuständig zu sein, und (damit verbunden) die Einschätzu­ng der Machthaben­den, im Innenminis­terium ein Schlüsselm­inisterium zu sehen?

Im absolutist­ischen Staat war der Innenminis­ter tatsächlic­h für alles zuständig, für Verwaltung und Ordnung, und die Sicherheit (der bestehende­n Verhältnis­se). Machtpolit­isch weniger Wichtiges wurde in periphere Behördencl­uster ausgelager­t. Der große Gegner (und Abwesende) war der Umsturz durch den Pöbel. Die Revolution. Der Putsch. Die Übernahme. Die Umfärbung. Für den Regenten von Gottes Gnaden war die Volksempör­ung ein Sakrileg gegen die Heiligkeit der Ordnung. Der Minister war wortwörtli­ch Diener des Monarchen. Er hatte für den Bestand der Heiligkeit zu sorgen. Sein einziges Instrument war die Ordnung (durch Bürokratie und Waffengewa­lt).

Wann immer Effekte absolutist­ischen Denkens die demokratis­chen Verhältnis­se überlagern, darf (und muss) die Frage nach dem Herrscher gestellt werden. Wer schafft an, wem wird gedient? Diese Frage sollte rasch geklärt werden. Unordentli­ch, wenn’s geht.

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